In der zweiten Vorschul-Kolumne von Alexandra Reichenberg legt sie dar, wie wichtig es ist Alltagskompetenzen in der Kita zu fördern: Fähigkeiten wie Schuhe binden, auf einer Linie schneiden oder einen Stift richtig halten, gehören dazu. Ein einfache Praxisanregung für die Vorschulkinder gibt es noch obendrauf. Viel Spaß beim Lesen!
Kognitive Bildung ist wichtig, Alltagsfähigkeiten aber ebenso!
Ich erinnere mich an den Ausspruch einer Grundschullehrerin beim Elternabend einer zukünftigen ersten Klasse vor den Sommerferien: „Wenn Ihr Kind bisher keinen regelmäßigen Schlafrhythmus entwickelt hat, sich noch nicht selbstständig an- und ausziehen kann und bislang nicht gelernt hat konzentriert zuzuhören, dann hat es jetzt noch während der Ferien die Gelegenheit dazu dies zu üben.“ Das klingt erst einmal hart und hat mit den viel gerühmten Bildungsimpulsen scheinbar wenig zu tun.
Der Wert der elementaren Fähigkeiten
Aber, schauen wir doch einmal genauer hin: Was nützt es einem Schulneuling, wenn sie oder er voll mit kognitivem Wissen eingeschult wird, aber nicht in der Lage ist, neues Wissen aufzunehmen, weil sie oder er nicht konzentriert zuhören kann oder unausgeschlafen ist? Wobei das eine das andere womöglich bedingt. Was bringt es, sich mit technischen Errungenschaften auszukennen, ohne ganz elementare Dinge, wie etwa das Binden einer Schleife, das Schneiden entlang einer Linie oder das richtige Halten eines Stiftes zu beherrschen? Was lernen Kinder dabei, wenn sie mit dem Auto von Haustür zu Haustür, von einem Freizeitangebot zum nächsten gefahren werden, aber nicht lernen Stück für Stück das sichere Verhalten im Straßenverkehr zu trainieren, sich dabei ganz nebenbei bewegen, was wichtig für das Aufnehmen von Lerninhalten ist, und viele spannende Beobachtungen machen, die sie zu Weltentdeckern werden lassen? Das klingt sehr banal, aber auch im Zeitalter von Klettverschlüssen und Smartwatches sind solche und viele weitere elementare Fähigkeiten unerlässlich. Nur wenn diese vorhanden sind, lässt sich sinnvoll darauf aufbauen.
Basics sind die Pflicht, alles Weitere ist die Kür
Kinder sollen natürlich vielfältige Impulse bekommen. Sie sind neugierig und wissbegierig. Nie wieder lernen sie so viele Dinge auf einmal, wie in den ersten Lebensjahren. Ihr Forscher- und Lernbedürfnis muss befriedigt werden und dazu sollten ihnen entsprechende Angebote gemacht werden. Wege dafür gibt es, am besten so individuell wie möglich, denn jedes Kind ist anders. Zu Zeiten eines eklatanten Personalmangels erscheint dies hoch gegriffen. Als ob es keine anderen Probleme gibt, magst Du Dir beim Lesen denken. Ja, das ist nicht von der Hand zu weisen, doch häufig lässt sich mit wenigen, oftmals scheinbar kleinen, Dingen einiges schaffen und viele Kinder erreichen. Im Folgenden findest Du hierzu eine Praxisanregung für Deine Vorschulgruppe, das sowohl die Forscher, wie auch die Künstler und die bewegungsfreudigen unter „Deinen“ Kindern anspricht und dabei auf einfache Art und Weise Alltagsfähigkeiten schult.
Kleine Schatzsuche, große Wirkung
Materialien:
- Digitalkamera
- Drucker
- vorbereitete Schatzkarte
- Lupen
- weißes Papier (eventuell Collegeblöcke mit unlinierten Blättern)
- Bunt- und Bleistifte
- Schatztruhe mit einem Schatz darin, etwa ein besonderer Stift für jedes Kind, Buchstabenkekse oder eine andere kleine Süßigkeit
- großer Papierbogen
- Scheren
- Klebestifte
Lernziele:
- gezieltes Beobachten
- Erkundung des eigenen Lebensumfeldes
- Schulung der Feinmotorik
- sicheres Verhalten im Straßenverkehr trainieren
- Bildnerisches Gestalten fördern
- Teamfähigkeit lernen
Und so wird’s gemacht:
Ein Spaziergang der Vorschulkinder durch das Stadtviertel oder den Ort, vielleicht bis zur Grundschule, wird zur Schatzsuche. Im Vorfeld bereitest Du eine Schatzkarte vor. Auf dieser sind Fotos oder Zeichnungen von Dingen zu sehen, welche die Kinder entdecken müssen, um dadurch den Weg zum Schatz zu finden, etwa Verkehrsschilder, eine Ampel, ein Zebrastreifen, ein besonderes Gebäude, ein Baum … Bevor es losgeht werden die Kinder mit der Schatzkarte, Lupen, Papier und Stiften ausgestattet. Dann benötigen sie noch die passende „Entdeckerkleidung“ :-). Dazu sollten die Kinder sich selbstständig anziehen, möglichst inklusive Schuhe binden. Nun geht es los! Kennen die Kinder das Umfeld des Kindergartens/der zukünftigen Grundschule? Was gibt es alles zu sehen? Die Kinder suchen die Dinge auf der Schatzkarte, schauen sich um, malen weitere wichtige Eindrücke auf oder fotografieren diese, gegebenenfalls mit Deiner Hilfe. Zum Ende der Suche wird natürlich der Schatz gefunden. Schön ist es, wenn dieser auf dem Schulhof versteckt werden kann, oder sich, nach einem Rundweg, auf dem Kita-Gelände findet.
Die Kinder gestalten anschließend eine große Gemeinschaftscollage aus ihren Bildern von der Schatzsuche, einen ganz individuellen Stadtplan, der das Erlebte dokumentiert, für Austausch sorgt und zugleich eine kleine Präsentation der Vorschularbeit für die Eltern darstellt.
Hast Du Lust bekommen eine Schatzsuche mit „Deinen“ Kindern zu starten oder konnte ich Dir vielleicht Impulse für individuelle Angebote in Deiner Kita geben? Ich würde mich darüber freuen!
Deine Alexandra Reichenberg
Alexandra Reichenberg ist Erzieherin und Kunsttherapeutin. Sie arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Kindergarten- und Grundschulbereich sowie in der Familienbildung.

Kommentar zu Kolumne
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