In diesem Teil unserer neuen Kolumne „Pädagogische Handlungskonzepte“ beschäftigt sich unsere Autorin Svenja Gleffe mit der Pikler-Pädagogik.
Wer war Emmi Pikler?
Emmi Pikler wurde im Jahr 1902 in der österreichischen Hauptstadt Wien geboren und ging 1908 gemeinsam mit ihren Eltern nach Budapest. Die Mutter von Emmi Pikler war ausgebildete Kindergärtnerin, der Vater Handwerker. Emmis Mutter starb als sie 12 Jahre alt war. Je älter Emmi Pikler wurde, desto größer wurde ihr Wunsch, Kinderärztin zu werden. Daher ging sie im frühen Erwachsenenalter zurück nach Wien und studierte dort Medizin. Ihr späterer Mann war Mathematiker und Pädagoge. Daher waren sich bei dem ersten Kind beide darüber einig, dass es viel Erfahrung durch freie Bewegung sammeln soll. Durch unzählige Beobachtungen bei ihrer eigenen Tochter stellte Emmi Pikler fest, dass Kinder nicht an Bewegung und Spiel erinnert werden müssen, sondern es auf die Gestaltung der Umgebung ankommt. Auch der bewusste Umgang sei wichtig. Somit legte Pikler den Fokus immer mehr auf die Säuglings- und Kleinkindarbeit. 1935 bekam sie die Anerkennung als Kinderärztin in Budapest und arbeitete dort als Familienärztin.
Emmi Piklers erstes Buch für Eltern erschien im Jahr 1940. Die Arbeit an diesem Buch sowie die Veröffentlichung brachte erschwerte Arbeit mit sich. Denn Emmi Pikler war Jüdin und ihr Mann war aus politischen Gründen von 1936–1945 in Gefangenschaft. Während des 2. Weltkrieges konnten Emmi Pikler und ihre Tochter überleben, da sie von Eltern der von ihr betreuten Kinder unterstützt wurden. Nach dem Krieg bekam sie ihr zweites Kind und eröffnete im Jahr 1946 ein Säuglingsheim in Budapest. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1979 leitete sie dieses.
Emmi Pikler in der Kita
Ihr Bild vom Kind:
- Kinder sind von Natur aus friedlich und an ihrer Umwelt interessiert.
- Säuglinge und Kleinkinder sind kompetente Wesen.
- Kinder haben einen starken Willen die Umwelt wahrzunehmen und zu verstehen.
- Berührungen sind das Fundament jeder Beziehung.
- Aus Kommunikation kann Bindung entstehen.
Die Wickelsituation bzw. die Gestaltung dieser ist laut Pikler die beste Möglichkeit für den Bindungsaufbau. In einer sicheren und stabilen Bindung kann das Kind alles von allein entdecken. Der Erwachsene muss dafür die Signale des Kindes verstehen und Kenntnisse über einzelne Entwicklungsschritte haben. Eine achtsame Haltung, Respekt und genaue Beobachtung, eine gut strukturierte und vorbereitete Umgebung nach Alter und Entwicklungsstand sind eine gute Basis.

Ziele der Pädagogik
- Eine achtsame Pflege des Säuglings für eine gute Entwicklung.
- Raum und Zeit für eine umfangreiche Entwicklung.
- Berührungen für die Entwicklung des Selbstbildes.
- Blickkontakt, Konstanz in der Pflege, Wahrnehmung der Signale des Kindes, Kommunikation = Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit.
- Eltern in die Entwicklungsprozesse ihres Kindes mit einbeziehen.
Methodisch-didaktischer Ansatz
Die Bewegungsentwicklung und das eigenständige Spiel sind die Grundprinzipien in der
Pikler-Pädagogik. Für die Umsetzung ist es wichtig, äußere Bedingungen zu ermöglichen. Bequeme Kleidung, genug Raum für Bewegung, Spielmaterial und Klettergeräte sind einige Beispiele. Es ist wichtig, dass die Erwachsenen dem Kind kein Spielzeug in die Hand geben, sondern die Spielzeuge auf dem Boden liegen und vielseitige Verwendungsmöglichkeiten haben.
Materialien
1935 traf Emmi Pikler auf die Gymnastiklehrerin Elfriede Hengstenberg (1892–1992). Schnell stellten beide fest, dass sie den gleichen pädagogischen Ansatz verfolgten. Somit entwickelte Hengstenberg Spielmaterial, dass die Bewegung nicht vorgibt, sondern herausfordert. Emmi Pikler warnte Eltern dabei vor vorschnellen Bewegungsfördermaßnahmen. Das Kind tue alles zur richtigen Zeit von selbst. Einige der Pikler und Hengstenberg Materialien sind:
- das Essbänkchen
- das Podest
- die Rampe
- der Wickelaufsatz
- das Pikler-Labyrinth
- der Krabbel- und Kriechtunnel
Außerdem war Emmi Pikler von „Offenen Materialien“ begeistert. Materialien wie Kastanien, Eimer, Becher oder Tücher seien ideal, da sie keine verdeckten didaktischen Absichten beinhalten.
Die Rolle der pädagogischen Fachkraft
Die pädagogische Fachkraft sollte laut Pikler zurückhaltend sein und genau beobachten und dokumentieren. Sie begleitet die Handlungen, sowohl ihre als auch die der Kinder mit Sprache und ist kommunikativ. Sie besitzt gestalterische Fähigkeiten und eine gute Reflektionsfähigkeit.

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