BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Das Ende der Kindergartenzeit

Das Ende der Kindergartenzeit, Ausflug zur Feuerwehr
© Tsend-Ayush – Adobe Stock

Im neuen der Teil der Kolumne „Das ist ja wie im Kindergarten“ teilt Tanja Siepmann ihre Gedanken zum Ende des Kitajahres, zum berühmten „Rauswurf aus der Kita“ und zur Vorschularbeit allgemein. Viel Spaß beim Lesen!

Rauswurf aus der Kita

Yeliz und Max stehen aufgeregt an der Kitatür. Sie beobachten wie Sabine und Michael ihren Freund Jaroslaw an Armen und Beinen packen und hochheben. Wie eine Hängematte baumelt der Junge nun zwischen den beiden Erziehern. Sie schwenken ihn lachend durch die Luft. Vor und zurück, vor und zurück. Mit Spannung geladener Stimme zählen sie bis drei. Kaum ist die letzte Zahl ausgesprochen, lösen sie ihren sicheren Griff. Jaroslaw fliegt im hohen Bogen durch die Luft und landet sicher auf der Weichbodenmatte, die direkt hinter der Kitatür platziert wurde. Es ist Juli, das Kitajahr neigt sich dem Ende entgegen und heute werden die Vorschulkinder mit dem Ritual des Rausschmeißens verabschiedet.

Wir wollen jedem Kind das geben was es braucht, um sich als Teil der Gruppe zu fühlen und zu wachsen

Was war das wieder für ein aufregendes Jahr. Vor unseren Augen sind aus Kindergartenkindern selbstbewusste Vorschüler/-innen geworden. Ein bundgemischter Haufen kleiner Individualisten bekam im letzten Sommer die Aufgabe, zur Vorschulgruppe zusammen zu wachsen und sich gemeinsam auf den nächsten Lebensabschnitt, die Schule, vorzubereiten. Und wenn wir ehrlich sind, hatten wir Erwachsenen, bei dem ein oder anderen so unsere Zweifel, ob das gelingen wird. Ich erzähle niemanden, der im pädagogischen Handlungsfeld tätig ist, etwas Neues, wenn ich auf die hohe Zahl von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf oder herausforderndem Verhalten hinweise, die uns in der Kita begegnen. Da können schon mal Zweifel aufkommen, ob die verbleibende Zeit und die zur Verfügung stehenden Mittel ausreichen, um die Entwicklung mancher Kinder zur Schulreife zu bringen. Aber frei nach dem Motto „leave no one behind“ waren wir, wie jedes Jahr bemüht, jedem Kind das zu geben, was es brauchte, um sich als Teil der Gruppe zu fühlen und darin zu wachsen.

Als pädagogische Fachkräfte wissen wir, dass Vorschularbeit bereits mit dem Eintritt in die Kita beginnt und nicht erst im letzten Kitajahr. Dennoch lohnt sich die intensive Arbeit mit den „Maxis“. Die Kleingruppe bietet die Möglichkeit der gezielten Beobachtung und Begleitung, und birgt damit die Chance von gezielter Unterstützung und Förderung.

Nachhaltig lernen durch Freude am Lernen

Mehrmals in der Woche trafen sie sich also mit Stolz geschwellter Brust im „Maxi-Raum“. Begleitet von den sehnsuchtsvollen Blicken der jüngeren Kitakinder, die sich nichts mehr wünschten, als auch endlich zu diesem elitären Kreis gehören zu dürfen, ahnend, das hinter der verschlossen Türe großartige Dinge passieren. Und so war es ja auch. Ausgehend von den Interessen der Kinder wurden Angebote und Projekte entwickelt, die ganz nebenbei jene motorischen und kognitiven Fähigkeiten förderten, deren vorhanden sein erwartet wird, wenn die Kinder in das Schulleben eintreten. Nachhaltige Lernerfolge stellen sich eben nur ein, wenn sie mit Freude und Interesse verbunden sind. Intrinsisch ist immer besser als extrinsisch.

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Schulkind werden – Den Übergang begleiten und gestalten

BAUSTEiNE KiNDERGARTEN Ausgabe 3/2017

Das letzte Jahr in der Kindertageseinrichtung ist sowohl für die Kinder als auch deren Eltern etwas Besonderes. Mit dieser Ausgabe möchten wir alle Beteiligten dafür sensibilisieren, den Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule zu überdenken und auf die jeweilige Kindergruppe abzustimmen.

Manchmal braucht es unkonventionelle Wege

Und so kam es, dass wir uns beim Thema „Mein Körper“ immer intensiver mit Körperfunktionen befassten, die wir Erzieher/-innen von uns aus nie angesprochen hätten. Das Interesse der Kinder zum Thema Herz war so intensiv und die Fragen wurden so detailreich, dass die unkonventionelle, aber logische Konsequenz war, ein echtes (Schweine)Herz zu betrachten. Mit Kittel, Handschuhen und Mundschutz betrachteten die Maxis das Organ staunend und hatten keine Berührungsängste (alle Eltern waren im Vorfeld informiert und konnten die Teilnahme ihres Kindes an dieser Forschung ablehnen, ebenso wie alle teilnehmenden Kinder im Vorfeld und während dessen, ablehnen konnten).

Jede Menge Vorschulthemen

Dem Interesse eines Kindes an Astronomie geschuldet, wurden wir zu Sternenforschern, und der Astronomie-Profi zu unserem Dozenten. Wochenlang zogen wir von Baustelle zu Baustelle, um neue Erkenntnisse für das Baustellenprojekt zu sammeln und alle Baggerliebhaber/-innen konnten mit ihrer Expertise auftrumpfen. Die Kunst lag darin, die Interessen der Kinder in den Vordergrund zu stellen und dabei die Förderung der üblichen, erwarteten Schulfähigkeiten einzubauen. Wer bis dato im Umgang mit Schere, Stift und Kleber ungeübt war, weil er sich die letzten Jahre erfolgreich um Kreativangebote gedrückt hatte, bekam die Gelegenheit, diese, beim Ausschneiden der Planeten für ein Planeten-Mobile zu trainieren. Wer grobmotorisch Entwicklungspotenzial hatte, dem boten sich bei unseren Exkursionen zu den Baustellen und dem Zirkusprojekt einiges an Möglichkeiten sich auszuprobieren. Was es mit dem Selbstbewusstsein macht, wenn man Experte für etwas ist, und dadurch die Anerkennung der anderen Kinder findet, brauche ich wohl nicht extra erwähnen.

Zu alle dem, war die Maxi-Gruppe ein Ort, in dem Demokratie geübt, Mitbestimmung gelebt und ein guter Umgang mit Konflikten gelernt werden konnte.

Ein Locher und fünfzehn Kinder

Ja klar, wir haben uns auch mit Zahlen befasst und die üblichen Vorschularbeitsblätter fanden ebenfalls ihren Raum. Ich persönlich hätte besonders auf Letzteres verzichten können. Die Kinder haben danach verlangt, weil sie eben auch „echte“ Schulsachen machen wollten. Und wer bereits ein Geschwisterkind in der Schule hatte, der kannte die Arbeitsblätter von deren Hausaufgaben. Wer bin ich, ihnen diesen Wunsch abzuschlagen. Die größte Lernaufgabe lag ohnehin darin, diese Blätter selbstständig zu lochen und in die eigene Vorschulmappe einzuheften. Ein Locher und fünfzehn Kinder … Wo müssen die Löcher eigentlich sein, damit das Blatt richtig rum in die Mappe geheftet werden kann? Und wo ist eigentlich meine Mappe?

Wer den Schulweg allein bewältigen soll, muss lernen sich im öffentlichen Raum zu bewegen

Und dann sind da ja auch noch die Privilegien, die Vorschulkindern eingeräumt werden, wie z.B. alleine Draußen oder im Bewegungsraum spielen zu dürfen. Sich verlässlich zeigen und an die abgemachten Regeln halten, ist ein weiteres wichtiges Lernfeld, in dem sich die Kinder immer wieder aufs Neue versuchen und beweisen durften. Gleiches gilt für die Ausflüge, die im letzten Jahr zur Vorschularbeit gehörten. Egal ob mit Bus und Bahn oder zu Fuß, sich im öffentlichen Raum und Straßenverkehr zu bewegen, erfordert ebenfalls Verlässlichkeit und Regelbewusstsein. Der Ausflug zur Feuerwehr diente also nicht nur dazu, mehr über die Feuerwehr zu erfahren, sondern auch zu lernen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, um zukünftig den Schulweg allein bewältigen zu können.

Gute Erinnerungen

Und nun stehen sie dort alle, in einer Reihe an der Kitatür und warten voller Vorfreude darauf aus der Tür geworfen zu werden. Wir haben ihnen mitgegeben, was wir konnten und sie haben mitgenommen was sie konnten. Wir haben gemeinsam Erinnerung geschaffen und voneinander gelernt, wir haben gelacht und gestritten. Eine Weile werden sie uns noch freudig begrüßen, wenn wir uns auf der Straße begegnen. Irgendwann erkennen sie uns nicht mehr oder es wird peinlich „Hallo“ zu sagen. Das ist okay. Hauptsache, sie haben ihre Kindergartenzeit als etwas Gutes in Erinnerung. Hauptsache, sie finden ihren Platz im Leben, der sie zu zufriedenen, glücklichen Menschen werden lässt. Und wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen konnte, habe ich mein Ziel erreicht.

Kolumnistin Tanja Siepmann

Tanja Siepmann ist Erzieherin und freie Autorin.

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