Auch beim Thema Trauer und Suizid geht es darum, die Verstorbenen und deren Leben zu sehen und schöne Erinnerungen zu pflegen. Gleichzeitig zu dem Gefühl der Trauer sind jedoch oft auch die Gefühle Schuld und Scham sehr präsent. Schuld und Scham führen oft zu Sprachlosigkeit bei Erwachsenen, die sich dann auch auf die Kinder übertragen kann. In dieser Kolumne zeigt unsere Autorin Linda Köster wichtige Aspekte auf, wie mit dem Suizid eines Elternteils umgegangen werden kann.
Wichtiges für die Begleitung von Kindern nach Suizid eines Elternteils
Zunächst ist es wichtig, den Kindern altersgerechte Erklärungen zu geben. Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt, und unklare oder ausweichende Antworten können Angst auslösen. Das bedeutet jedoch nicht, sofort alle Details der Todesursache preisgeben zu müssen. Vielmehr sollten die Erklärungen ehrlich sein und kindgerecht. Einfache, klare Worte sind hier der Schlüssel. Lies dazu auch gern meine Kolumne Nr. 1 mit dem Titel „Mit Kindern über den Tod sprechen“. Das Todesverständnis von Kindern in den jeweiligen Altersstufen sollte in solchen Gesprächen selbstverständlich auch berücksichtigt werden. Mehr darüber findest Du in meiner Kolumne Nr. 2 „Kinder im Trauerprozess unterstützen“.
Ein solches Gespräch sollten die Bezugspersonen unbedingt vorbereiten, zum Beispiel vorher klären, mit welchen Worten sie den Suizid beschreiben wollen. Dabei ist es sinnvoll, darauf zu achten, dass die Beschreibung weder eine negative Bewertung (z.B. Selbstmord) noch eine Form der Beschönigung ist (z.B. Freitod). Ich empfehle hier, eher neutrale Beschreibungen zu verwenden – wie z.B. Papa hat sich getötet, Mama hat sich das Leben genommen/Suizid begangen.
Mit jeder Altersstufe gewinnen Kinder ein anderes Verständnis vom Tod und von der Todesursache Suizid. Mit dem Älterwerden können bei Kindern immer wieder neue Fragen und auch heftige Reaktionen und Trauerverhalten auftreten.
Erinnerungsstücke
Auch nach einem Suizid geht es darum, gemeinsam positive Erinnerungen zu finden und zu teilen. Häufig fällt es dem verbliebenen Elternteil schwer, sich an die schönen Dinge zu erinnern, da sehr oft zunächst die Umstände des Todes im Mittelpunkt der Erinnerung stehen. Die Bezugspersonen sollten für Erinnerungsstücke sorgen. Das könnten z.B. Fotos sein oder das Lieblingsbuch des Verstorbenen, die Lieblingsdecke usw. Je älter die Kinder sind, umso stärker kann man sie einbeziehen und eventuell gemeinsam eine kleine Erinnerungsbox zusammenstellen. Es gibt auch Bücher bzw. Erinnerungsalben mit schön gestalteten Vordrucken, in die man Erinnerungen an die verstorbene Person schreiben und Fotos einkleben kann.
Die Teilnahme an der Beerdigung sollte ebenfalls besprochen werden. Denn diese Form des ritualisierten Abschieds ist ein wichtiger Teil im Trauerprozess. Welche Aspekte es dabei zu beachten gibt, steht in meiner Kolumne Nr. 3 „Dürfen Kinder an einem Begräbnis teilnehmen?“.
Sicherheit vermitteln
Es ist in einer solchen tragischen Situation sehr wichtig, den Kindern Sicherheit zu vermitteln und sie spüren zu lassen, dass ihre Bezugspersonen für sie da sind und nicht weggehen oder sich auch töten werden. Außerdem sollten Kinder auf Gedanken an den eigenen Tod angesprochen werden. Hintergrund ist: Es ist wichtig, mit dem Innenleben des Kindes in Kontakt zu bleiben und zu erfahren, was das Kind bewegt und ob es selbst Todeswünsche hat. Über die Gespräche mit dem Kind hinaus ist die emotionale Unterstützung ein weiterer, wichtiger Aspekt im Umgang mit Suizid und Trauer. Kinder müssen z.B. wissen, dass es in Ordnung ist, traurig, wütend oder verwirrt zu sein. Erwachsene sollten ihnen Raum geben, diese Gefühle auszudrücken, ohne sie zu bewerten oder zu korrigieren. Ein offenes Ohr und die Bereitschaft, zuzuhören, sind in dieser Phase unerlässlich! Das Kind sollte auch die Erlaubnis bekommen, mit anderen Kindern oder Erwachsenen über die Todesart sprechen zu dürfen.
Zusätzlich kann überlegt werden, Kontakt zu einer Selbsthilfe- bzw. Trauergruppe für Kinder aufzunehmen.
Die wichtigsten Botschaften ans Kind bei Suizid
Wenn ein Elternteil entschieden hat, sich selbst zu töten, bringt dies häufig Fragen nach der eigenen Schuld mit sich. Daher ist es von Beginn an wichtig, in den Gesprächen mit dem Kind Botschaften zu integrieren wie z.B. „Du oder das was du getan oder auch nicht getan hast, hat nichts mit der Entscheidung von Mama zu tun.“, „Du bist nicht schuld daran, du hättest den Suizid nicht verhindern können.“ oder „Auch wenn Mama entschieden hat zu gehen, hat sie dich liebgehabt.“ und „Du bist gut so wie du bist.“
Die Begleitung des verbliebenen Elternteils
Ein Verlust durch Suizid wird meistens als plötzlich und unerwartet erlebt und der Schock für die Hinterbliebenen ist in der Regel groß. Neben dem Gefühl der Trauer sind häufig Gefühle von Hilflosigkeit, Wut, Scham und Schuld vorherrschend.
Die Hinterbliebenen stellen sich Fragen nach dem „Warum“. Sie fragen sich, ob sie etwas hätten bemerken können. Sie machen sich Vorwürfe, erste Anzeichen eventuell nicht ernst genug genommen zu haben. Und sie machen sich Gedanken darüber, was ihr Umfeld nun über sie denken könnte. In der Begleitung sollte es daher darum gehen, den verbliebenen Elternteil zu stärken und zu stabilisieren. Der Alltag bringt ganz neue Herausforderungen mit sich, da häufig weniger Geld zur Verfügung steht, evtl. muss auch eine neue Wohnung gesucht werden. Belastend ist oft auch, dass ab sofort viel mehr Entscheidungen des Lebens alleine getroffen werden müssen. Zudem könnte es notwendig werden, sich auch beruflich zu verändern, um den Alltag besser organisieren oder auch finanzieren zu können. Es kann also in der Folge eines Suizids zu extremen Umbrüchen und Veränderungen für die Hinterbliebenen kommen. Zudem kann es zu direkten, angedeuteten, oder vermuteten Vorwürfen und Schuldzuweisungen aus dem sozialen Umfeld kommen. Oft sind Freunde und Bekannte auch unsicher, wie sie mit den Hinterbliebenen umgehen sollen. Das alles würde den sozialen Rückhalt der Trauernden stark einschränken.
Mit der eigenen Trauer klarkommen
Ein stabiles Umfeld für Kinder kann nur dann geschaffen werden, wenn auch die Erwachsenen mit ihrer eigenen Trauer zurechtkommen und gestärkt werden. Hier sollte auch über eine professionelle Begleitung durch z.B. spezialisierte Beratungsstellen nachgedacht werden. Nach einem Suizid ist es zudem wichtig, dass nahe Angehörige Ansprechpersonen für eigene Todeswünsche haben – denn der Gedanke, oder auch das Bedürfnis, „hinterherzugehen“ kommt relativ häufig vor.
Warnsignale für akute Suizidgefahr
Personen, die in ihrem nahen Umfeld den Suizid einer geliebten Person erlebt haben, sind besonders gefährdet, selbst Suizidgedanken zu entwickeln. Deshalb sollte auf folgende Warnsignale geachtet werden:
- Es werden konkrete Gedanken geäußert, sich selbst zu töten.
- Ausdruck von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung durch z.B. Aussagen wie „Es gibt keinen Ausweg mehr“ oder „Es wird nie besser werden“ oder „Ich wäre lieber tot“ oder „Die Welt wäre besser ohne mich“.
- plötzliche Ruhe, z.B. nach einer Phase von Unruhe (kann darauf hinweisen, dass die Person einen Entschluss gefasst hat)
- Rückzug von sozialen Kontakten
- ungewöhnlich viel oder wenig Schlaf
- sich trennen von persönlichen Gegenständen
- persönliche Angelegenheiten werden ungewöhnlich akribisch geregelt
- übermäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum
- rücksichtsloses Verhalten
- Selbstverletzungen
- extreme Stimmungsschwankungen
Was tun bei akuter Suizidgefahr?
- Direkt ansprechen und fragen, ob die Person Suizidgedanken hat.
- Bei der Person bleiben oder dafür sorgen, dass jemand bei ihr bleibt.
- Entfernen aller Mittel, die die Person zum Suizid nutzen könnte.
- Enge Freunde oder Familienmitglieder sollten sofort informiert werden.
- Umgehende Kontaktaufnahme mit einem Arzt, Therapeuten, dem Notruf 112 oder der Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222.
Fazit
Die Tabuisierung der Todesursache Suizid wirkt sich ungünstig auf den Trauerprozess der Hinterbliebenen aus und sollte daher unbedingt vermieden werden.
Literaturempfehlungen der Autorin
- Broschüre (Download): Paul, C. (2019). Suizidtrauer bei Kindern und Jugendlichen angstfrei unterstützen. AGUS e.V. (Enthält Anregungen für Erwachsene, um Kinder & Jugendliche beim Umgang mit dem Suizid-Tod eines nahestehenden Menschen zu begleiten.)
- Paul, C. (2023). Wir leben mit deiner Trauer. Das Kaleidoskop des Trauerns für Freunde und Angehörige von Trauernden. Gütersloher Verlagshaus.
Der Finkenau Podcast
Um Themen aus dem Kita-Alltag und der Erziehungsberatung geht es im Podcast der Stiftung Kindergärten Finkenau. Mit dem Podcast werden fundierte Erfahrungen aus der Kita-Praxis kurz, knapp und klar zur Verfügung gestellt. Das Format richtet sich an Eltern, pädagogische Fachkräfte und alle, die an pädagogischen Themen rund um die Kindererziehung interessiert sind.
Linda Köster ist Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und ist Vorstandsmitglied der Stiftung Kindergärten Finkenau.

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- Säen, gießen, ernten – Impulse für kleine Naturfreunde (BAUSTEiNE KiNDERGARTEN)
- Resilienz. Was Kinder stark macht (BAUSTEiNE KiNDERGARTEN)
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