BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Elternabend in der Kita

Elternabend in der Kita
© syahrir – Adobe Stock

Im neuen der Teil der Kolumne „Das ist ja wie im Kindergarten“ dreht sich alles um den Elternabend in der Kita und um die damit verbundenen, immer wiederkehrenden Tagesordnungspunkte „Elternratswahl“, „Beschriftung der Bekleidung“ und „Notbetreuung in der Weihnachtszeit“. Viel Spaß beim Lesen!

Willkommen zur ersten Elternvollversammlung

19:00 Uhr Europäischer Zeit. Der Turnraum der Kita Kichererbsen füllt sich. Nach und nach werden die Plätze des Stuhlkreises besetzt, es herrscht buntes Treiben. Man kennt sich und genießt sichtlich die Möglichkeit zum kleinen Schwatz, ohne dass ein Kind an der Kleidung zieht, weil es dringend etwas sagen muss, quengelt, weil es jetzt sofort nach Hause will oder nörgelt, dass es jetzt auf keinen Fall nach Hause mag. Niemand muss verbastelte Klorollengebilde, Schmutzwäschebeutel oder Kuscheltiere auf den Armen balancieren. Keiner vermisst Hausschuhe, Jacken oder Trinkflaschen. Die ein oder andere hat sogar die Gelegenheit genutzt, die Alltagskleidung gegen etwas Schickeres zu tauschen, ein Hauch von Parfüm weht durch die Räumlichkeiten. Väter suchen auf viel zu kleine Holzstühlen verzweifelt nach bequemer Sitzpositionen. Kniee treffen auf Ohren, Wirbelsäulen ächzen und verkünden ihren Unmut durch stechende Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Willkommen im Leben einer pädagogischen Fachkraft und willkommen zur ersten Elternvollversammlung im neuen Kitajahr.

Der Schweigefuchs verfehlt seine Wirkung nicht

Die Leitung der Einrichtung, Frau Erbse, macht sich bereit. Ein erstes Räuspern geht im Redestrom der Elternschafft unter. Das „Wir würden jetzt gerne beginnen“ wird vom lauten Lachen einer kleinen Gruppe Mütter übertönt. Der Appell „Es wäre schön, wenn wir jetzt zur Ruhe kommen könnten“ bleibt ungehört. Frau Erbse sieht sich gezwungen zum Äußersten aller Mittel zu greifen. Langsam hebt sie ihren linken Arm, die Hand nach vorne abgewinkelt. Sie spreizt den kleinen Finger und den Zeigefinger Richtung Zimmerdecke, während Daumen, Ring- und Mittelfinger nach vorne fest zusammengepresst werden. Der Schweigefuchs verfehlt seine Wirkung nicht. Augenblicklich wird es still im Raum, alle Blicke ruhen erwartungsvoll auf Frau Erbse. Es kann los gehen.

Einblicke in den Kita-Alltag und in die pädagogische Arbeit

Der Bericht zur aktuellen Lage der Gruppen gibt den Eltern einen kleinen Einblick in den Alltag und in die pädagogische Arbeit. Stärkenorientiert berichtet Frau Erbse von den Fortschritten in der Eingewöhnung, von den kreativen Spielideen und der Selbstständigkeit der Kitaneulinge.

Vor den geistigen Augen der Elternschaft erscheint die Utopie von Zweijährigen, die ihre Eltern glücklich lächelnd verabschieden, Jacken selbstständig aus und Hausschuhe anziehen, um sich dann intensiv und ausdauernd mit den Spielmaterialien der Einrichtung zu beschäftigen, bis sie am Nachmittag wieder abgeholt werden.

Vor dem geistigen Auge der Teammitglieder erscheint die Realität von Zweijährigen, die es gerade schaffen zwei Stunden in der Kita zu sein, ohne vor Überforderung und Sehnsucht nach den Eltern in Tränen auszubrechen. Von Puzzleteilen, die ausgekippt und vermischt mit allerlei anderen Spielmaterialien auf dem Teppich liegen und von Kindern, die jede Sekunde von Unaufmerksamkeit nutzen, um Räume zu erkunden, in denen sie sich gerade nicht befinden sollten.

Bitte die Kleidung der Kinder mit Namen beschriften

Frau Erbse appelliert an die Elternschaft, die Matschkleidung und Gummistiefel der Kinder mit Namen zu beschriften und dahin gehend zu überprüfen, ob Größe und Jahreszeit aktuell sind. Das Sprichwort, die Nadel im Heuhaufen suchen, bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn man vor einem Gummistiefelregal steht, das aus der Saisonware der ansässigen Discounter besteht, um nach dem einen richtigen Paar zu suchen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Besitzer bereits auf Socken rausgelaufen ist und weder Hinweis auf Größe, noch auf Farbe geben kann.

Ein Dank an den alten Elternrat, ein Willkommen dem neuen Elternrat

Der nächste Tagesordnungspunkt ist an der Reihe. Mit herzlichen Dankesbekundungen, Blumen und Schokolade („Merci“ natürlich, weil es wichtig ist, dass auf der Schokolade steht, was man sagen will!) wird der alte Elternrat verabschiedet. Aller Ärger und jede Erinnerung an hitzige Diskussionen weichen der Erkenntnis, dass alle bemüht waren, ihr Bestes zu geben.

An diesem Punkt des Abends wissen erfahrene Eltern, dass es Zeit ist, die Toilette aufzusuchen, einen Anruf vorzutäuschen oder hektisch und ausdauernd nach irgendetwas in der Tasche zu suchen. Man hätte die neuen Eltern warnen können, und eindringlich appellieren sollen, an dieser Stelle jeglichen Blickkontakt zu Frau Erbse oder den anderen Teammitgliedern zu vermeiden. Man hat es nicht getan, in der Hoffnung, sich durch die Unwissenheit der Anderen selbst retten zu können, vor dem TOP 3: Elternratswahl!

„Wer möchte sich den zur Wahl aufstellen lassen oder jemanden als Kandidat vorschlagen?“ fragt Frau Erbse freundlich in die Runde. Betretendes Schweigen, eindringliches Betrachten der Auslegewahre.

Frau Erbse erklärte und versichert, wie wenig Arbeit dies mache. Sie lockt mit Spaß und Mitbestimmung, beschreibt die Wichtigkeit des Amtes. Schließlich merkt sie an, der Abend könne, ohne diese Wahl kein Ende finden. Möglicherweise knicken die ersten unter dieser Androhung ein, möglicherweise konnte jemand mit einer „Nein danke Schwäche“ dem Blicken von Frau Erbse nicht ausweichen. Vielleicht erbarmt sich der alte Elternrat, noch ein Jahr dran zu hängen (Jackpot, zweimal Blumen und Merci, an einem Abend).

Fragen, Anregungen und Kritik aus der Elternschaft

Beim letzten TOP des Abends muss Frau Erbse im höchsten Maße aufmerksam sein, denn schnell kann dieser Teil als Aufforderung zur persönlichen Beratung missverstanden werden. Fragen, Anregungen und (bitte keine) Kritik aus der Elternschaft, allgemeine Themen sind herzlich willkommen. Einzelberatung bitte nach terminlicher Absprache in den nächsten Tagen.

„Warum putzen Sie mit den Kindern nicht mehr die Zähne?“ (weil es mit zwanzig Kindern und Zahnbürsten weniger nützlich als unhygienisch ist). „Müssen wir uns in diesem Jahr auf Einschränkungen der Betreuungszeiten wegen Personalmangels einstellen?“ (Vermutlich ja, aber wenn kranke Kinder Zuhause blieben, wäre die Chance auf gesundes Personal höher). „Gibt es eine Notbetreuung zwischen Weihnachten und Neujahr?“ (Nein!)

Frau Erbse ist Meisterin der positiven Gesprächsführung. Ihre Berufserfahrung war ihr Lehrmeister und sie weiß, welcher Formulierungen sie sich bedienen muss, um die Fragen zufriedenstellend und deeskalierend zu beantworten. Elegant gleitet sie durch den letzten Teil des Abends, verweist auf Weisungen des Trägers und verspricht Dinge im Team zu diskutieren, um zu einer Entscheidung zu kommen.

Ein gutes Ende

Und so wird schließlich das, von allen herbei gesehnte Ende der Elternvollversammlung erreicht. Wer jetzt noch eine kleine Frage hat, wird mittels durchdringender Blicke der Elternschaft zum Schweigen gebracht. Alle wollen in den wohlverdienten Feierabend gehen. Manche mit einem Amt, dass sie vielleicht gar nicht wollten, manche mit Merci-Schokolade, die eigentlich keiner mag und manche vielleicht auch mit einem Bandscheibenvorfall, weil sie zwei Stunden auf viel zu kleinen Stühlen gesessen haben. Alle aber hoffentlich gut informiert und mit dem Wissen herzlich willkommen zu sein.

Kolumnistin Tanja Siepmann

Tanja Siepmann ist Erzieherin und freie Autorin.

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