Im neuen Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ stellt uns Andrea Höddinghaus einen Fall aus ihrer Coaching-Praxis vor. Eine junge Leitung fühlt sich von ihrem Team nicht ernst genommen. Ihre Vermutung ist, dass es daran liegt, dass sie als Kind tatsächlich die gleiche Kita gegangen ist, in der sie nun die Leitung innehat. Wie man die Konflikte lösen kann und wie man das Gespräch mit dem Team suchen kann, erfahrt ihr in dieser Kolumne.
Potenzielle Führungsfähigkeiten
Eindeutig zu erkennen ist es sicher nicht, jedoch zeigen Kinder bereits in jungen Jahren Merkmale, die auf potenzielle Führungsfähigkeiten hindeuten könnten wie etwa Selbstbewusstsein, Entscheidungsfreude, soziale Fähigkeiten und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
So ein Kind war Maren. Sie trat ohne Scheu und selbstbewusst an andere Kinder heran, gab Impulse für Aktivitäten und übernahm „die Leitung“ bei Spielen, etwa indem sie den anderen Kindern die Regeln erklärte. Sie war entschlossen und traf Entscheidungen bei der Auswahl von Spielen oder der Verteilung von Rollen. Ihre sozialen Fähigkeiten trugen schon in der Kita dazu bei, dass sie zwischen ihren zerstrittenen Freundinnen vermitteln konnte und bot ihre Unterstützung an. Sie konnte teilen, übernahm freiwillig Aufgaben und fühlte sich mit verantwortlich dafür, dass alles gut lief.
Das hat sich bis heute nicht verändert. Nur, dass die Spiele heute die täglichen To Dos im Arbeitsalltag ihrer Kita sind., Marens Fähigkeiten Streit zu schlichten, kam heute schon zum Einsatz, indem sie einen handfesten Konflikt im Team geklärt hat. Maren hat ganz offiziell die Kitaleitung übernommen hat. Sie ist also auch immer noch dafür verantwortlich, dass alles gut läuft (und natürlich vieles mehr).
„Das Team nimmt mich nicht ernst“
Ich arbeite seit über drei Jahren mit Maren zusammen. Sie kam mit einem Anliegen zu mir, dass viele vielleicht aus ihrem eigenen Leitungsalltag kennen dürften. Sie ist als Kita-Kind in ihrer Einrichtung gestartet und dort ist sie, nach ihrer Ausbildung, wieder als Erzieherin eingestiegen. Ihre damalige Erzieherin hatte inzwischen die Leitung der Kita übernommen und mit ihr hat sie nach einigen Jahren als Teamleitung diese Position nun vor zwei Jahren auch noch getauscht.
Ihr aktuelles Anliegen, mit dem wir in das Coaching-Gespräch gestartet sind: „Leider sehen mich „alle“ Kollegen immer noch als Kita-Kind, besonders die älteren im Team, die mich als Kind schon kannten. Die „Kleine“, die damals schon meinte, allen die Welt zu erklären“.
Fragen und Antworten aus dem Coaching-Gespräch
Wie genau äußert sich das Verhalten Deiner Kollegen und Kolleginnen? Welche konkreten Situationen führen dazu, dass Du Dich als „Kita-Kind“ wahrgenommen fühlst?
„Sie machen oft scherzhafte Bemerkungen wie „Du warst ja schon immer so“ oder erinnern mich an Dinge aus meiner Kitazeit. Sie scheinen meine Entscheidungen weniger ernst zu nehmen und fragen eher die alte Leitung um Rat, anstatt zu mir zu kommen.“
Wie möchtest Du denn als Leitungskraft wahrgenommen werden? Welche Qualitäten möchtest Du zeigen?
„Ich möchte als kompetent, professionell und entschlossen wahrgenommen werden. Ich will, dass meine Kollegen und Kolleginnen mir vertrauen und sich auf mich verlassen, wenn es um Entscheidungen geht. Empathie und Klarheit in der Kommunikation sind mir auch noch wichtig.“
Was hast Du denn bisher versucht, um diese Wahrnehmung zu ändern?
„Ich habe versucht, klare Entscheidungen zu treffen und meine Kollegen und Kolleginnen in die Prozesse mit einzubeziehen, aber oft stoße ich auf Widerstand oder bekomme nicht das Feedback, das ich mir erhoffe. Ich spreche das Thema nur selten direkt an, weil ich nicht zu hart erscheinen möchte.“
Wie reagierst Du denn, wenn Deine Kollegen und Kolleginnen Dich nicht respektieren?
„Meistens versuche ich ruhig zu bleiben, aber innerlich frustriert mich das. Manchmal ziehe ich mich dann etwas zurück und lasse es auf sich beruhen, anstatt zu konfrontieren.“
Was könnten Deine Kollegen und Kolleginnen brauchen, um Dich als Führungskraft zu sehen?
„Vielleicht brauchen sie eine klare Ansage oder mehr Beständigkeit in meinem Verhalten. Eventuell wissen sie auch nicht, wie sie mit mir als neuer Leitung umgehen sollen, weil sie mich anders kennen.“
Ideenentwicklung
Wir besprechen ihre Antworten, um Ideen zu entwickeln. Einige Hypothesen, denen wir dabei im Coaching auf den Grund gegangen sind:
- Die Kollegen und Kolleginnen haben noch ein veraltetes Rollenbild von Maren und tun sich schwer mit dem Perspektivwechsel.
- Maren könnte sich unbewusst auch noch selbst mit ihrer früheren Rolle identifizieren und diese Signale aussenden.
- Es besteht möglicherweise eine unausgesprochene Dynamik zwischen der früheren Leitung und der neuen Rolle von Maren.
Leitungsstärke zeigen oder zurückgewinnen
In dieser Situation ist es wichtig, dass Maren ihre Rolle als Führungskraft klar kommuniziert und gleichzeitig professionell und respektvoll mit ihrem Team umgeht. Hier sind einige Schritte, wie Maren oder Du selbst, wenn Du in einer ähnlichen Situation steckst, Deine Leitungsstärke zeigen oder zurückgewinnen kannst:
- Selbstbewusstes Auftreten: Zeige durch Körpersprache und Tonfall, dass Du in deiner neuen Position erwachsen, sicher und kompetent bist. Vermeide Unsicherheit und vermittle klar, dass Du die Leitungsverantwortung trägst.
- Frühes klärendes Gespräch: Sprich mit den Kolleginnen und Kollegen frühzeitig und setze klare Erwartungen. Du könntest etwas sagen wie: „Ich weiß, dass viele mich noch aus meiner Zeit als Kita-Kind kennen, aber ich habe mich weiterentwickelt und habe nun diese Leitungsrolle übernommen. Ich erwarte, dass wir respektvoll und auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
- Vorbildfunktion einnehmen: Zeige durch Dein Verhalten und deine Entscheidungen, dass Du die Führung verdient hast. Triff klare, durchdachte Entscheidungen und zeige Empathie und Kompetenz im Umgang mit Teammitgliedern und Eltern.
- Vertrauen aufbauen: Nimm Dir Zeit, um das Vertrauen Deiner Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, indem du ihre Meinungen wertschätzt und sie in Entscheidungsprozesse einbeziehst. Dies zeigt, dass Du als Leitung das Team nicht nur anführen, sondern auch unterstützen möchtest.
- Klare Kommunikation: Wenn Du merkst, dass Dir Respekt verweigert wird, sprich es direkt und sachlich an. Zum Beispiel: „Ich habe bemerkt, dass manchmal noch alte Rollenbilder mitschwingen. Es ist wichtig, dass wir in unserer Arbeit als professionelles Team zusammenarbeiten und gegenseitigen Respekt wahren.“
- Feedback einfordern: Frage aktiv nach Feedback und biete gleichzeitig konstruktives Feedback an. Dies fördert eine offene Kommunikation und zeigt, dass Du als Leitung am Wohl des Teams interessiert bist.
Indem Du diese Punkte befolgst, kannst Du deutlich machen, dass Du Deine neue Rolle ernst nimmst und erwartest, dass dies auch von den Kollegen und Kolleginnen respektiert wird.
Leichtigkeit und Spaß
„Wo bleibt denn da die Leichtigkeit und der Spaß“? fragt mich Maren. „Ich möchte respektiert werden, aber nicht als lebendes Regelwerk dastehen“.
Humor kann in dieser Situation ein wertvolles Werkzeug sein, um die Spannung zu lockern und die Beziehung zum Team auf eine leichtere und respektvolle Weise zu verändern.
Wie könnte Humor integriert und Leichtigkeit erreicht werden? Du könntest die alten Rollenbilder humorvoll ansprechen, zum Beispiel: „Ja, damals als Kita-Kind war ich auch schon eine kleine Chefin – gut, dass ich jetzt auch offiziell die Verantwortung habe!“ 😉
Das zeigt, dass Du das Thema nicht zu ernst nimmst, aber dennoch die Veränderung unterstreichst. Ein bisschen Selbstironie ist auch einmal O.K.!
Maren könnte kleine Geschichten aus iher eigenen Kita-Zeit erzählen und dabei Parallelen zu ihrem aktuellen Job ziehen, was dem Team zeigt, dass sie die Vergangenheit anerkennt, aber jetzt in einer neuen Rolle steht.
Wenn Kollegen und Kolleginnen Maren nicht respektieren oder auf ihre Kitazeit anspielen, könnte sie mit einem Augenzwinkern fragen, wie alt man denn sein muss, um auf Augenhöhe zu arbeiten.
Gemeinsames Lachen fördern
Humorvolle, teambildende Aktivitäten oder Gespräche können helfen, alte Barrieren abzubauen und das Team auf einer menschlichen Ebene zusammenzubringen.
Der Humor sollte wohl dosiert, immer respektvoll und situationsgerecht sein, um den professionellen Rahmen zu wahren, kann aber definitiv helfen, die Atmosphäre zu entspannen und die Dynamik zu verändern. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt!
Denkt daran: Ob es die „geborene“ Führungskraft gibt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Die meisten inzwischen erwachsenen Führungskräfte und auch deren Teamkollegen heute, waren sicher fast alle einmal Kita-Kinder!
(Alle Namen sind frei erfunden, der Fall wurde anonymisiert.)
Andrea Höddinghaus ist zertifizierte systemische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.
Ausgaben passend zum Thema
- Die Kita, ein attraktiver Arbeitsplatz (Leitung & Team)
- Der ErziehER (Leitung & Team)
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