In diesem Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ stellt uns Andrea Höddinghaus einen Fall aus ihrer Coaching-Praxis vor. Eine neue Leitung stößt in ihrem Team auf das Phänomen, dass sich alle an ungeschriebene, unausgesprochene Regeln halten, die nie richtig definiert oder hinterfragt wurden. Dieser Zustand führt zu Unzufriedenheiten im Team. Wie man diese Situation in einem Team-Coaching-Workshop lösen kann, erfahrt ihr in dieser Kolumne.
Die Männer machen nie – Wir Frauen machen immer
„Wir haben zwei Fronten in unserer Kita: Männer und Frauen = Die Männer machen nie – Wir Frauen machen immer …“
Das waren die ersten Infos, die ich von Susanne am Telefon gehört habe, als ich Sie zu den Themen für unseren anstehenden Team-Workshop befragt hatte.
Die Jahresgespräche im Team waren ganz gut gelaufen, aber dass „Männer-und-Frauen-Thema“ hat hier schon häufig zu Konflikten geführt.
„Die einen tun nie – wir anderen tun immer!“
Ein altbekannter Satz, der in vielen Teams, nicht nur aus der Männer- und Frauen-Perspektive und bestimmt auch schon einmal in Deinem Team für Spannungen gesorgt hat.
Besonders in der Kita, wo Menschen mit unterschiedlichen Arbeitsstilen und Ansätzen eng zusammenarbeiten, kann dieses Gefühl von Ungleichgewicht schnell zur Frontenbildung führen.
Genauso eine Situation erlebt Susanne gerade. Sie ist die Leitungskraft, die kürzlich in der Kita ein Team aus acht Erziehern und Erzieherinnen übernommen hat. Die meisten von ihnen sind schon sehr lange dabei. Susanne ist die dritte Leitungskraft innerhalb der letzten zwei Jahre und es gibt weder klare Teamregeln noch abgestimmte Strukturen. So jedenfalls ihr Eindruck.
Stattdessen hat sich eine Dynamik entwickelt, die von Missverständnissen und stillen Erwartungshaltungen geprägt ist. Unterschiedliche Persönlichkeiten und Arbeitsweisen stehen sich gegenüber – die Fronten sind stabil.
Das Spannungsfeld im Team
Im Alltag wird schnell deutlich: Einige Teammitglieder fühlen sich benachteiligt. Sie haben das Gefühl, dass andere weniger tun und sehen sich selbst als diejenigen, die die Hauptlast der Arbeit tragen. Um etwas für Dich abzuleiten, nimm das Männer-und-Frauen-Thema hier einfach einmal stellvertretend, für vergleichbare Situationen, die in Deinem Alltag passender sind.
Der Frust wächst, aber konkrete Spielregeln oder Strukturen, die diese Missverständnisse klären könnten, gibt es ja nicht und irgendwie läuft es ja auch immer … irgendwie …
So arbeitet jede und jeder nach eigenem Ermessen, was das (Kommunikations-)Chaos noch weiter verstärkt. Da viele Teammitglieder bereits seit Jahren in der Kita tätig sind, haben sich in dieser Zeit bestimmte Verhaltensmuster eingeschlichen. Bei Dir auch? Diese sind oft schwer zu durchbrechen.
Susanne sieht sich nun der Aufgabe gegenüber, nicht nur das Team neu zu organisieren, sondern auch die tiefsitzenden Spannungen zwischen den verschiedenen Standpunkten und Arbeitsweisen zu überwinden.
Woran liegt es?
Ein Hauptgrund für diese Problematik liegt in den unterschiedlichen Ausgangssituationen, Arbeitsstilen und Prioritäten von Teammitglieder.
Jeder bringt verschiedene Vorstellungen davon mit, was „gute Arbeit“ bedeutet. Diese unausgesprochenen Erwartungen führen zu Missverständnissen und Enttäuschungen, weil die Leistungen und Beiträge der anderen oft anders bewertet werden als sie gemeint sind.
Hinzu kommt, dass es keine klaren Teamregeln gibt. Ohne Absprachen darüber, wer was zu tun hat, bleibt es jedem selbst überlassen, was als Pflicht empfunden wird. Das führt dazu, dass sich hier schon einige Frustrationen aufstauen.
Einige übernehmen Aufgaben, die nicht sofort sichtbar sind oder die von den anderen nicht als wertvoll angesehen werden – und umgekehrt.
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BAUSTEiNE KiNDERGARTEN Leitung & Team Ausgabe 5/2024
Das Thema Achtsamkeit begegnet einem in vielen Bereichen und auch in der Arbeitswelt ist es bereits angekommen. Diese Ausgabe „Bausteine Kindergarten – Leitung & Team“ befasst sich damit, wie Führung achtsam gelingen kann, was es dazu braucht und wie es im Alltag umgesetzt werden kann.
Was tun? Wie kommen wir jetzt vom Ich zum Wir?
Lösungsansätze für eine bessere Zusammenarbeit: Um Dynamiken im Team sichtbar zu machen, müssen wir beobachten und beschreiben, was wir im Team wahrnehmen. Das Team kann definieren, was ein gutes Team ausmacht. Um Kreisläufe zu „durchbrechen“, braucht es dann klare Regeln, eine bewusste Rollenklärung und Interventionen, die zu einem guten, effizienten Team führen.
Übrigens – das gilt nicht nur für das Team von Susanne!
Als außenstehende Workshopleitung oder Moderatorin frage ich zu Beginn des Workshops das Team, was es denn bei Ihnen in der Kita für Regeln gibt, damit wir diese für unseren Workshop übernehmen können und damit auch ich weiß, worauf ich achten soll.
Das Team hier schaut mich an und schweigt erst einmal. Dann sagt eine Teamleiterin „So etwas gibt es bei uns eigentlich nicht. Wir haben hier mehr so informelle Regeln in unserer Kultur“.
Das ist immer eine gute Gelegenheit zu reflektieren. Ich kann gleichzeitig auch einfach erste Regeln beschreiben, die ich bemerke, ich kann Regeln vorschlagen und mit dem Team überlegen, was hier im Workshop und anschließend dann im Alltag gut funktionieren würde.
„Aha“, denke ich. Das Phänomen, dass sich alle an ungeschriebene, unausgesprochene Regeln halten, die nie richtig definiert oder hinterfragt wurden, nennt man informelle Normen oder auch implizite Regeln. Diese entstehen meistens durch wiederholte Verhaltensmuster und soziale Erwartungen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln, ohne dass sie jemals explizit formuliert wurden.
Regeln und Muster identifizieren
Das schauen wir uns einmal genauer an, da sich in der aktuellen Teamarbeit zeigt, dass es einige Unstimmigkeiten gibt.
Ein Beispiel, welches Ihr sicher auch kennt, ist, dass es in Eurem Team Raucher gibt, die sich regelmäßig draußen treffen. Dabei steht hier nicht das Rauchen, oder die Zeit bzw. Pause im Vordergrund. Es geht um die Kommunikation in diesem kleinen „Raucher-Team“. In kleinen Raucherpausen spricht man schnell auch einmal über Inhalte aus dem Alltag, die auch für die Nichtraucher interessant sein könnten. Diese bekommen es aber oft nicht mit oder werden nur teilweise informiert.
Leider sind solche Muster nicht so leicht zu ändern, weil sie selten reflektiert oder offen diskutiert werden, und die Teammitglieder sie oft als selbstverständlich betrachten.
Wir stimmen im Team ab, dass wir diese Regeln und Muster einmal identifizieren und kennzeichnen, welche nicht mehr passend sind.
Handynutzung in der Gruppe, Organisation des Mittagessens, Übergabe-Infos, Urlaubsliste, der Staubsauger mitten auf dem Gang, … – die Liste ist schnell erstellt und auch gar nicht so kurz.
Konkrete Schritte
Das Team will jetzt konkrete Schritte definieren:
- Einführung von Teamregeln: Das Team will sich auf eine klare Aufgabenverteilung und gegenseitige Erwartungen einigen.
Regelmäßige Teammeetings sind dabei ein guter Anfang, um offen über Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu sprechen und Missverständnisse auszuräumen. - Offene Kommunikation: Nicht nur in Raucherpausen. Ein Raum für ehrliche Gespräche über die Wahrnehmung der verschiedenen Arbeitsweisen und Herangehensweisen kann helfen, Frustrationen abzubauen. Oft sind es unausgesprochene Erwartungen, die zu Missverständnissen führen.
- Nie wieder! An dieser Stelle meldet sich jetzt einer der jüngeren Männer im Team zu Wort und sagt direkt, dass er den Satz: „die Männer machen nie … NIE wieder hören möchte“. Er beschreibt mit einem Augenzwinkern, dass die Aufgaben in den Verantwortungsbereichen keiner Geschlechterteilung unterliegen und dass es dem Pausenraum auch egal ist, ob er von einer Frau oder einem Mann aufgeräumt wird.
Eine reflektierte Auseinandersetzung über die jeweiligen Prioritäten und Stärken ist essenziell. - Teambuilding: Gemeinsame Aktivitäten fördern das Verständnis füreinander und bauen Vertrauen auf.
Es ist wichtig, Unterschiede zwischen den Teammitgliedern nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung für das Team zu sehen.
Unterschiedliche Persönlichkeiten Stärken das Team, wenn sie als Vielfalt und nicht als Trennlinie wahrgenommen werden.
Die Perspektive des Coachings
Für eine nachhaltige Veränderung braucht es Selbstreflexion im Team. Jedes Teammitglied nimmt sich die Zeit, die eigene Rolle und das eigene Verhalten im Team zu hinterfragen.
Fragen wie „Wie nehme ich meine Rolle wahr?“ oder „Was erwarte ich von den anderen?“ können dabei helfen, Muster zu erkennen und zu durchbrechen.
Ein Fokus auf Verhaltensänderungen und die Förderung offener Kommunikation sind entscheidende Schritte, um festgefahrene Muster zu überwinden. Mögliche Coaching-Sessions oder unser Workshop können dem Team dabei helfen, ein gemeinsames Verständnis von Teamarbeit zu entwickeln und eine klare Vision für die Zusammenarbeit zu erarbeiten.
Ich gebe dem Team eine Aufgabe: Stellt Euch doch einmal vor, ihr seid das beste Team auf der ganzen Welt!
Wie arbeitet dieses Team? Wie fühlst Du Dich in so einem großartigen Team? Welche Ressourcen habt ihr? Welche Hindernisse habt ihr aus dem Weg geräumt, um so ein „cooles“ Team zu werden?
Fazit: Vielfalt als Stärke
Am Ende steht die Erkenntnis: Teams sind dann stark, wenn sie die Vielfalt ihrer Mitglieder wertschätzen. Unterschiedliche Persönlichkeiten und Perspektiven sollten nicht als Hindernis gesehen werden, sondern als Chance, ein harmonischeres und produktiveres Arbeitsklima zu schaffen.
Für Susanne (und jede andere Leitungskraft auch) ergibt sich dann die Möglichkeit, frische Strukturen zu etablieren und das Team auf einen guten Weg zu führen. Das muss kein komplett neuer Weg sein. Bewährte Routen sind gut und werden durch neue Wegabschnitte ergänzt.
Mit klaren Regeln, offener Kommunikation und dem Blick auf die Stärken jedes Einzelnen können die Spannungen überwunden werden – und die Kita profitiert von echter Teamarbeit.
(Alle Namen sind frei erfunden, der Fall wurde anonymisiert.)
Andrea Höddinghaus ist zertifizierte systemische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.

Ausgaben passend zum Thema
- Die Kita, ein attraktiver Arbeitsplatz (Leitung & Team)
- Der ErziehER (Leitung & Team)
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