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Die Freinet-Pädagogik

Die Freinet-Pädagogik, zwei Kinder, Junge und Mädchen
© Daxiao Productions – Fotolia

Immer wieder hört oder liest man Namen von Pädagoginnen und Pädagogen, nach denen Handlungskonzepte benannt wurden. Doch wer waren diese Menschen eigentlich? Wie kam das Konzept zustande? Und wie wird es in den Kitas umgesetzt? In diesem Teil unserer neuen Kolumne „Pädagogische Handlungskonzepte“ beschäftigt sich unsere Autorin Svenja Gleffe mit der Freinet-Pädagogik.

Wer war Célestin Freinet?

Célestin Freinet wurde 1896 in der Provence in Frankreich geboren. Freinet war ein französischer Reformpädagoge, dessen eigene
Schulzeit von viel Leid geprägt war. 1913 trat Freinet in ein Lehrerseminar ein. 1915 wurde er in den 1. Weltkrieg eingezogen und musste seine Lehrerausbildung unterbrechen. Im Jahr 1920 trat er
seine erste Stelle als Lehrer an einer kleinen Schule in einem Dorf
an der Côte d´Azur an. Freinets Ziel war es, aufgrund seiner eigenen leidvollen Schulzeit, für die freie Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit zu kämpfen. Die Kinder sollten ohne Zwang ihre eigenen Vorlieben und Interessen entwickeln dürfen. Somit begründete er zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Konzept, in dem das Kind in den Mittelpunkt gestellt wurde, damit die Persönlichkeit und Selbstständigkeit des Kindes am besten reifen konnte. 1926 entwickelte Freinet die Druckpresse, um den Kindern zu ermöglichen, ihre eigene Schülerzeitung selbst drucken zu können. Celestin Freinet arbeitete eng mit seiner Frau Elise Lagier Bruno zusammen. Im Jahr 1933 gründeten sie ein Internat. Freinet starb im Jahr 1966.

Célestin Freinet
Engeell – Wikimedia Commons

Freinet in der Kita

Ab Anfang der 1980er-Jahre entwickelte sich die zuvor nur für Schulen vorgesehene Freinet-Pädagogik, auch zu einem beliebten pädagogischen Konzept für Kitas.
Das pädagogische Konzept richtet sich in seiner Umsetzung unter anderem nach den Prinzipien „Freiheit, Verantwortung und Sinn des Lebens“.
Hier steht das Experimentieren im Fokus. Freinets „Entdeckendes Lernen“ richtet sich nach den Fragen und Wünschen der Kinder aus. Es gibt keine konkreten Themenbearbeitungen. Jedes Kind bestimmt sein Thema selbst. Dafür werden dann dementsprechende Materialien zur Verfügung gestellt und passende Methoden angewendet. Um sich frei entfalten zu können, gibt es in Einrichtungen nach Freinet ausgerichtete Räume für die Kinder, wie z.B.:

  • Atelier
  • Rollenspielbereich
  • Theater
  • Forscherraum
  • Handarbeitsraum
  • Garten
  • Bewegungsraum
  • Ruheraum

Selbstwirksamkeit durch Selbstbestimmung

Im Alltag geht es darum, das Leben in einer Gemeinschaft zu erfahren. Kinder erfahren früh Selbstwirksamkeit durch Selbstbestimmung. Es gibt für die Kinder absichtlich viel Zeit im Alltag, die nicht verplant ist, damit sie selbst entscheiden können, mit wem sie spielen möchten, was sie spielen möchten und wo. In dieser Zeit kann sich jedes Kind frei im Haus, Flur und auf dem Außengelände bewegen. Gruppenübergreifend, ortsunabhängig und das Material ist ebenso frei wählbar. In der Freinet-Pädagogik wird ebenso Partizipation (Mitbestimmung) großgeschrieben. Durch regelmäßige Kinderkonferenzen haben die Kinder die Möglichkeit, ihre Meinung zu bestimmten Themen, die den Kita-Alltag betreffen zu äußern und sich an Entscheidungen diesbezüglich zu beteiligen.

Die Rolle der pädagogischen Fachkraft

In Bezug auf die Angebote bzw. freie Zeit der Kinder stehen die pädagogischen Fachkräfte als Impulsgeber zur Verfügung. Sie halten sich hierbei mehr im Hintergrund auf. Ziel dessen ist es, dass die Kinder eigene Lernwege entdecken und umsetzen können.
Um dies zu gewährleisten und spontan auf die Ideen und Themen der Kinder reagieren zu können, benötigt das Team hohe Flexibilität und gute Absprachen. Außerdem ist es hier notwendig, selbst als pädagogische Fachkraft lernen zu wollen. Denn um den Kindern den nötigen Raum zur Entdeckung und Bearbeitung ihres Themas geben zu können, muss sich die pädagogische Fachkraft selbst oft mit Themen auseinandersetzen, zu denen sie noch nicht viel weiß. Im Alltag nimmt die pädagogische Fachkraft eine aktive und beziehungsfördernde Rolle ein.

Auch für pädagogische Fachkräfte gibt es Prinzipien, nach denen gearbeitet werden wird:

  • Die Kinder haben freien Zugriff auf die Materialien und sie bestimmen die Themen selbst.
  • Die Kinder können eigenverantwortlich handeln.
  • Die Kinder entdecken den Sinn in ihrem Handeln selbst.
  • Der Alltag wird so gestaltet, dass er vorbereitend auf das Leben ist.

Welche Vor- und Nachteile bringt die Freinet-Pädagogik mit sich?

Aus meiner Erfahrung ergeben sich folgende Vor- und Nachteile:

Vorteile:

  • freie Entfaltung der Persönlichkeit
  • Themen richten sich nach den Interessen der Kinder.
  • Kinder werden früh selbstständig und erfahren Selbstwirksamkeit.
  • Förderung des Sozialverhaltens
  • Förderung eines Demokratieverständnisses

 

Nachteile:

  • Einige Kinder könnten sich bei dem offenen Konzept verloren fühlen.
  • Das Personal muss für die Umsetzung gut gebildet und geschult sein.
  • Schüchterne Kinder könnten sich etwas verloren fühlen.
Kolumnistin Svenja Gleffe
Svenja Gleffe ist ausgebildete Kinderpflegerin und Erzieherin. Für mehr Infos zur Autorin und ihren Beiträgen auf „Mehr erfahren“ klicken.
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