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Die Natur- und Waldpädagogik

Die Natur- und Waldpädagogik, Kinder im Waldkindergarten
© iamjura – Adobe Stock

In diesem Teil unserer Kolumne „Pädagogische Handlungskonzepte“ beschäftigt sich unsere Autorin Svenja Gleffe mit der Natur- und Waldpädagogik.

Wie entstand die Natur- und Waldpädagogik?

Der erste Waldkindergarten in Deutschland wurde in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen. Seinen Ursprung hat die Waldpädagogik in Dänemark.
In den 1950er-Jahren, gründete Ella Flatau (1911–1991) den ersten Waldkindergarten dort.
In Wiesbaden rief schließlich die Schauspielerin Ursula Sube im Jahr 1968 einen Natur- und Waldkindergarten ins Leben, indem sie diesen privat eröffnete. Jedoch war dieser nicht an das dänische Konzept angelehnt. Dies war der Schauspielerin nicht bekannt. Öffentliche Gelder wurden ihr nicht zur Verfügung gestellt, da sie keine pädagogische Ausbildung hatte.
Daher erhielt der Waldkindergarten erst Ende der 1980er-Jahre eine offizielle Genehmigung.
1993 eröffnete der erste anerkannte Natur- und Waldkindergarten. Die pädagogischen Fachkräfte Kerstin Jebsen und Petra Jäger wurden in einer Fachzeitschrift auf das Konzept in Dänemark aufmerksam. Daher hospitierten sie in einem der Kindergärten in Dänemark, um im Anschluss ihr eigenes Konzept zu schreiben. Wieder zurück in Deutschland gründeten die Fachkräfte einen Verein und auch die Behörden konnten sie mit ihrem Konzept überzeugen.
1993 eröffnete daher der erste anerkannte Waldkindergarten in Flensburg.
In den kommenden Jahren entstanden bis heute mehr als 1000 Natur- und Waldkindergärten in Deutschland.

Das Bild vom Kind

Die Natur- und Waldpädagogik sieht die Kindheit nicht als eine Situation, die überwunden werden muss, sondern als eigene Lebensphase. Das Kind hat das Recht auf Zeit, Raum, Bedürfnisse und Ausdrucksformen. Die Waldpädagogik traut dem Kind etwas zu.
Es wird als kompetentes Wesen wahrgenommen, dass das Recht dazu hat, eigene Grenzerfahrungen zu machen, sich auszuprobieren und auch Gefahren zu erleben.
In der Natur- und Waldpädagogik steht das „animistische Denken“ im Fokus (Animismus = Glaube daran, dass die Natur eine Seele hat). Dieser Glaube stärkt die Bindung zur Natur. Somit entsteht eine natürliche Handlungskette: Animistisches Weltbild => Emotionale Bindung an die Natur => Interesse an sachlichen Informationen über die Natur => Balance zwischen Kognition und Affektivität => Wahrnehmen und Einsetzen für die Belange der Natur

Ziele

Der Grundstein richtet sich nach dem Konzept von Pestalozzi: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“.
Die Kinder erleben die Natur mit allen Sinnen. Jahreszeitliche Rhythmen und Naturphänomene werden im spielerischen Tun erlebt. Somit sind das bewusste Erleben und Begreifen von Zusammenhängen möglich. Die Natur- und Waldpädagogik vermittelt unter anderem den Wert des Respekts vor Menschen, Natur und Umwelt. Auch der verantwortungsbewusste und nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen (BNE = Bildung für nachhaltige Entwicklung) wird spielerisch trainiert.

Auf folgende Kompetenzen werden in der Natur- und Waldpädagogik außerdem viel Wert gelegt:

  1. Sach- und Methodenkompetenz:
    • Aufbau von Weltoffenheit und Integration neuer Perspektiven
    • vorausschauendes Denken und Handeln
    • Gewinnung von interdisziplinären Erkenntnissen und Handeln

 

  1. Sozialkompetenz:
    • gemeinsames Planen und Handeln
    • Partizipation an Entscheidungsprozessen
    • Motivation von anderen, aktiv zu werden

 

  1. Personale Kompetenz:
    • Reflektion von eigenen Leitbildern und die der anderen
    • selbstständiges Planen und Handeln
    • Empathie und Solidarität gegenüber anderen zum Ausdruck bringen
    • Eigenmotivation aktiv zu werden

 

  1. Gestaltungskompetenz:
    • gemeinsames vorausschauendes Denken und Handeln
    • partizipative Bearbeitung von Problemen und Entwicklung von Lösungen mit anderen
    • Erkenntnis des Einflusses des Waldes und der Forstwirtschaft auf den Alltag
    • Herstellen von Kooperationen
    • lokales und regional vernetztes Denken und Handeln

Methodisch-didaktischer Ansatz

Folgende Aspekte dienen der Vermittlung der Natur- und Waldpädagogik:

  1. Erlebnisorientierung: Die Sinne und Gefühle der Kinder, werden gefördert.
  2. Erfahrungsorientierung: Jedes Kind bringt bereits Erfahrungen aus seiner Lebenswelt mit. An diese wird angedockt und sie werden erweitert.
  3. Orientierung an der Lebenswelt: Die Kinder übertagen das Erlernte aus der Natur in ihre Lebenswelt.
  4. Projektorientierung: Jedes der Kinder lernt vorausschauend bzw. längerfristig zu planen, Prozesse durchzuführen und auszuhalten.


Des Weiteren gibt es zwei Formen des Natur- und Waldkindergartens:

  1. Der klassische Waldkindergarten: Diesen besucht ein Kind 5 Tage in der Woche für jeweils 4–6 Stunden. Es gibt eine Hütte, in welcher Material aufbewahrt wird. Die Hütte dient außerdem zum Schutz, falls der Wald aufgrund von schlechten Wetterbedingungen nicht besucht werden kann. Eine Gruppe besteht aus 20 Kindern im Alter von 3–6 Jahren. Jedoch werden auch immer mehr U3-Kinder in einigen Waldkindergärten aufgenommen.
  2. Der integrierte Waldkindergarten: Hierbei handelt es sich um eine offene Waldgruppe einer Regelkita, die regelmäßig für einen gewissen Zeitraum den Wald besucht. Dies geschieht meist in Form von Waldtagen oder -wochen.

Materialien

Zu den Materialien zählen unter anderem die Natur- und Waldmaterialien. Diese dienen als Grundmaterial für alles weitere. Dazu zählen z.B. Moos, Äste, Blätter, Tannenzapfen etc.
Aber auch Bollerwagen, Rucksäcke, wetterfeste Kleidung etc. gehören zum Materialbestand eines Natur- und Waldkindergartens.
Da es keine festen Räume außer meist einer Schutzhütte und einem Bauwagen für die Hygiene gibt, werden im Wald entsprechende Plätze gestaltet, wie z.B.: ein Essplatz, ein Schlafplatz, ein Märchen- oder Waschplatz.

Die Rolle der pädagogischen Fachkraft

  • kompetent im Bereich Ökologie (Pflanzenkunde, Bedeutung des Waldes für das Ökosystem)
  • neugierig, offen, wissbegierig
  • Begleiter/-in
  • Beobachter/-in
  • mithandelnde Rolle
  • Bewusstsein über eigenes Bild der Natur
  • kritische Auseinandersetzung mit Themen zu Natur und Umwelt
Kolumnistin Svenja Gleffe
Svenja Gleffe ist ausgebildete Kinderpflegerin und Erzieherin. Für mehr Infos zur Autorin und ihren Beiträgen auf „Mehr erfahren“ klicken.
Autorenprofil Svenja Gleffe

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