In diesem Teil unserer Kolumne „Pädagogische Handlungskonzepte“ beschäftigt sich unsere Autorin Svenja Gleffe mit der Waldorf-Pädagogik.
Wer war Rudolf Steiner?
Rudolf Steiner wurde am 25.02.1861 im heutigen Kroatien geboren. Er wuchs mit zwei Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. 1879 studierte Steiner Mathematik, Physik und Naturgeschichte an der Technischen Hochschule in Wien. Nebenbei ging er seinem großen Interesse in der Literatur und Philosophie nach. Sein Denken und Handeln waren stark von religiösen Lehren aus Indien beeinflusst. 1912 gründete Rudolf Steiner somit die „Anthroposophische Gesellschaft“. Nachdem er die Kinder des Mitglieds Emil Molt (Zigarettenfabrikant; 1896–1936) betreut hatte, bat ihn dieser seine Pädagogik weiterzuverfolgen und umzusetzen. Daher eröffnete Rudolf Steiner im Jahr 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart. Dort war er bis ans Ende seines Lebens 1925 Leitung.
Der erste Waldorfkindergarten wurde im Jahr 1926 durch die pädagogische Fachkraft Elisabeth von Grunelius (1895–1989) eröffnet. Im Laufe der Jahre gründete sie noch zahlreiche weitere Waldorfeinrichtungen.
Waldorf in der Kita
„Das Kind in Ehrfurcht empfangen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.“ Rudolf Steiner
Das Bild vom Kind entspricht in der Waldorf-Pädagogik dem „Anthroposophischen Menschenbild“. Dieses teilt sich in die Bereiche Leib, Seele und Geist.
Die pädagogische Arbeit orientiert sich parallel dazu an den Entwicklungsstadien des Menschen. Der Unterschied zu anderen pädagogischen Handlungskonzepten ist die Auseinandersetzung mit der „Reinkarnation“ (lat. Wiederverkörperung: Die Vorstellung, dass die Seele oder die mentalen Prozesse sich nach dem Tod in einem anderen Wesen manifestieren.) und dem „Karma“ (Die spirituelle Überzeugung, dass jede Tat eine Folge hat, ggf. auch erst in einem nächsten Leben.).
Die Pädagogik richtet sich ebenso nach dem Gedanken, dass die geistige Substanz des Menschen unsterblich ist. Die Überzeugung ist, dass sie in neuen Verkörperungen (Inkarnationen) lebt und sich weiterentwickelt. Jeder Mensch ist für sein Schicksal selbst verantwortlich und kann sein Leben selbst gestalten.
Entwicklung des Kindes
Die Entwicklung des Kindes ist in der Waldorf-Pädagogik in „Jahrsiebte“ bis zum 21. Lebensjahr eingeteilt:
Erstes Jahrsiebt (0–7 Jahre):
- Die Umwelt spielt hier noch keine bedeutende Rolle.
- Das Kind entwickelt sich hier durch Nachahmungen und seine Vorbilder.
- Das Kind lernt durch eigene Erfahrungen.
- Das Kind wird von seiner Umgebung geformt.
Zweites Jahrsiebt (7–14 Jahre):
- Hier steht das Prinzip der Nachfolge und der Autorität im Fokus.
- Das Schulkind lernt durch eigene Empfindungen.
Drittes Jahrsiebt (14–21 Jahre):
- Das Kind erreicht die Geschlechtsreife.
- Das Kind sieht die Welt als wahr an.
- Das Kind lernt durch gebildetes Urteil.
Ziele der Pädagogik
Die Waldorf-Pädagogik gehört zu den reformpädagogischen Ansätzen. Das Kind benötigt eine Lebenswelt, die es möglich macht, sie zu verstehen als sinnhaft zu erleben und handeln zu können (Kohärenzsinn).
Ein weiteres Ziel ist die gleichberechtigte Förderung von Denken, Fühlen und Wollen. Dieses wird in der Praxis durch handwerkliche Angebote gefördert. Die Bildung des ganzen Menschen steht in der pädagogischen Arbeit genauso im Fokus wie die Persönlichkeit des Menschen wahr und ernst zu nehmen. Weitere Ziele der Pädagogik sind:
Stärkung ….
- der Fantasie und Initiative
- der ganzheitlichen Gesundheit
- der Persönlichkeit
- des Bewusstseins der eigenen Lebensideale
- des Verantwortungsbewusstseins für sich und andere
- der sozialen Kompetenz
- der freien Urteilsfähigkeit
- der Weltoffenheit
- des Interesses an den Fragen und Nöten der Zeit
- der Team- und Kooperationsfähigkeit
Methodisch-didaktischer Ansatz
Hier steht im Mittelpunkt, dass die Kinder bei alltäglichen Tätigkeiten helfen und die Möglichkeit dazu bekommen, verschiedene Tätigkeiten und Verhaltensweisen ihrer pädagogischen Vorbilder nachahmen zu können. Ebenso sind Rhythmus und Wiederholungen ein wichtiger Teil des Ansatzes. Auch die künstlerisch-musische Erziehung wie Eurythmie (Sprache und Bewegung rhythmisch vereint) spielt eine wichtige Rolle. Das freie ungezwungene Spiel ist ebenso ein wichtiger Teil der Waldorf-Pädagogik.
Materialien
Die Räume und Materialien sind so konstruiert, dass das Kind in seiner Entwicklung unterstützt wird. Die Raumanordnung und -gestaltung sowie das Licht, die Farben und Materialien sind nach Maßstäben geregelt. Naturmaterialien (Holz, Baumwollstoffe) regen die Fantasie an. Dezente Farbtöne, werden and den Wänden in einer speziellen Lasurtechnik aufgetragen (so soll der Raum lebendig werden). Die Materialien sind frei von vorgegebenen Funktionen.
Die Rolle der pädagogischen Fachkraft
Die pädagogische Fachkraft wird in der Waldorf-Pädagogik als Vorbild und Gestalter wahrgenommen. Das Leben und Arbeiten in Haus und Garten wird vorgelebt und eigene Handlungen werden stetig reflektiert. Die pädagogische Fachkraft sorgt ebenfalls für eine vorbereitete Umgebung, die dem Kind zur freien Entfaltung dient, ordentlich ist und die Mitte des Entwicklungsprozesses darstellt.

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