BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Ein Führungstandem als Kitaleitung

Ein Führungstandem als Kitaleitung
© Yurii – Adobe Stock

Im neuen Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ stellt uns Andrea Höddinghaus einen Fall aus ihrer Coaching-Praxis vor. Zwei Gruppenleitungen sollen und wollen sich als Führungstandem die Kitaleitung teilen. Welche Konflikte entstehen und wie man diese mithilfe eines Coachings lösen kann, erfahrt ihr in dieser Kolumne.

Veränderungen oder ein Konflikt unter zwei Teamleitungen

Hast Du noch Kapazitäten für ein Teamleitungs-Coaching, fragt mich meine Ansprechpartnerin in der Personalabteilung einer größeren Kita vor einigen Wochen. Ja, sage ich. Worum geht es denn?

Was bisher geschah …

Eine Leitungskraft hatte gekündigt. Damit einhergehend werden verschiedene Änderungen vorgenommen. Eine Gruppe muss aufgelöst werden, eine andere Gruppe fängt auf.

Die vakante Leitungsstelle soll intern besetzt werden, da sich bisher extern keine geeigneten Kandidaten gefunden haben und sich nun zwei Teamleitungen die Position und die Aufgaben teilen wollen (sollen!). Ein Führungs-Tandem soll gebildet werden.

Ilka und Anne. Beides erfahrene Kolleginnen, die schon mehr als 10 Jahre in der Einrichtung zusammenarbeiten, haben sich, nach Übernahme der Aufgabe, an den Vorstand gewandt: „Diese Leitungsposition ist komplett neu für uns. Deshalb würden wir uns gerne in dem Prozess der Rollenklärung und der sinnvollen Aufteilung der Leitungsaufgaben sowie der erforderlichen Schnittstellendefinition durch ein Coaching begleiten lassen.

Wir würden uns freuen, wenn wir Unterstützung bekämen, um eine Priorisierung der zahlreichen inhaltlichen Aufgaben, die jetzt nochmal deutlich verändern und zunehmen werden, vorzunehmen“.

So weit, so verständlich. Es folgt noch eine kleine und entscheidende Nebeninfo an mich durch die Personalerin. Eine der beiden Kolleginnen hatte sich im Zuge der anstehenden Veränderungen an die Personalabteilung gewandt und dort mitgeteilt, dass sie Bedenken für die Zusammenarbeit sieht. Die Persönlichkeiten sind einfach zu unterschiedlich.

Das erste Gespräch

Im Coaching starte ich zunächst einmal mit den Erwartungen, den Zielen und Wünschen. Was soll am Ende für beide dabei herauskommen?

Wir steigen locker in das Gespräch ein und jede beschreibt einmal die letzte Zeit und was die Veränderungen mitsichbringen wird. Dabei wüschen sich beide neben der Rollenklärung auch, dass wir die „Triggerpunkte“ besprechen, die beide aus ihrer langjährigen Zusammenarbeit schon voneinander kennen. Jede sagt dabei von ganz allein, was sie denkt, was die jeweils andere vielleicht an ihr stören könnte. „Ich bin oft sehr dominant“, sagt die eine und „ich bin manchmal bockig und zickig“ darauf die andere. „Und Du möchtest noch viel mehr erreichen als ich“, sagt die andere. „Ich bin auch schon viel näher an der Rente“.

O.K. so haben wir das schon einmal gehört, sage ich und bitte beide zum Start einfach auf die Arbeitszeit zurückzublicken und mir die Faktoren zu nennen, die in der gemeinsamen Vergangenheit so richtig gut gelaufen sind. „Das Gute“? „Ja, genau“! sage ich.

Die beiden Kolleginnen dürfen sich erst einmal von ihren Triggerpunkten lösen und erstellen eine Liste über das Gute:

  • Wir haben eine gute Vertrauensbasis.
  • Wir respektieren uns.
  • Jede hat ein „Spezialgebiet“ (Elternkommunikation/Konzept-erarbeitung/Umsetzung).
  • Wir sind beide gut ausgebildet.
  • Ziehen gemeinsam an einem Strang.
  • Wir reden nicht hinten herum oder übereinander.
  • Wir sind beide motiviert und lösungsorientiert.
  • Wir haben schon viel miteinander geschafft.
  • Wir werden von unseren Kolleginnen respektiert.

Positiv!

Ich frage beide, wie es ihnen in Bezug auf die Tandem-Führung damit geht, wenn sie die Punkte hören, die sie genannt haben. Sie bewerten die Basis als sehr positiv. „Darauf können wir doch aufbauen.“

Etwas unruhiger vom Gefühl her wird es im Gespräch, als ich beide bitte, nun einmal ihre „Triggerpunkte“ zu benennen. Verbunden mit der Bitte konstruktiv und lösungsorientiert zu beschreiben.

Die eine sagt, dass sie sich manchmal von ihrer Kollegin bei neuen Anforderungen oder Aufgaben überrumpelt fühlt, da diese spontaner und schneller ist. „Sie macht einfach, während ich gerne einmal über Entscheidungen nachdenke und eine Nacht drüber schlafe“. „Ich habe das Gefühl ich renne dadurch immer hinterher“. Sie sagt dann zu mir „Ach, ich habe das schon schnell gemacht, was weg ist, ist weg“. „Ich möchte mitgenommen werden“.

„Ja, sagt die andere, „Du brauchst einfach immer so lange und findest nie den richtigen Zeitpunkt für eine Entscheidung, Du möchtest es allen recht machen und dann reitest Du immer wieder auf Themen herum und findest gar kein Ende. Das mach mich wütend und dann bin ich eben eingeschnappt“. „Ich möchte, dass Du mit meiner Zeit wertschätzende umgehst“.

Wer sitzt denn hier auf dem Tandem?

Führungspersönlichkeiten. So weit, so normal. Jetzt geht es darum, die gemeinsame Route auszuarbeiten, ins Trainingslager zu gehen und an der Teamdynamik zu feilen. Hier geht es nicht um „besser“ oder „schlechter“, auch nicht um „schneller oder langsamer“, sondern darum, die unterschiedlichen Stärken effektiv einzusetzen und die vermeidliche Schwäche auszugleichen. Wie nehmen wir uns gegenseitig mit, wie gehen wir wertschätzender mit unserer Zeit um?

Ein Routenplan muss her!

Auch dadurch, dass beide einige Zeiten haben, in denen sie nicht gleichzeitig vor Ort sind, oder andere Dienstzeiten haben, brauchen beide hier eine verlässliche Planung, Termine und Abstimmung. Geradelt wird in dieselbe Richtung!

Wenn klar ist, welche Herausforderungen anstehen, wann welche Aufgaben erledigt sein müssen und wer welche Verantwortungen hat, kommen beide aus dem Bewerten der anderen heraus.

Worauf sich beide einigen

Klare Kommunikation und regelmäßiger Austausch: Es ist wichtig, regelmäßige Meetings einzurichten, um die Kommunikation offen und transparent zu halten. Wir brauchen klare Absprachen, Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten. Wir definieren und dokumentieren diese jetzt, um Missverständnisse zu vermeiden.

Wir respektieren den Arbeitsstil der anderen. Stärken nutzen: Die schnellere, spontanere Führungskraft kann dynamische Situationen besser bewältigen, während die bedächtigere Führungskraft gründlicher und langfristiger planen kann.

Wir müssen bereit sein, Kompromisse einzugehen, um uns gegenseitig zu unterstützen, auch wenn die Arbeitsweise danach unterschiedlich ist.

Wir werden uns gemeinsame Ziele setzen und uns strategisch ausrichten. Wir definieren gemeinsame Ziele und Visionen, damit wir beide in die gleiche Richtung arbeiten.

Unsere Erfolge möchten wir messbar gestalten. Fortschritte sollen regelmäßig überprüft und an gemeinsamen Zielen gemessen werden.

Wenn es zu Konflikten kommt, dann nehmen wir uns vor eine offene Kultur zu leben. Dafür sprechen wir potenzielle Konflikte frühzeitig an und bearbeiten diese lösungsorientiert.

Wir suchen uns Unterstützung, z.B. in der Personalabteilung. Diese kann als Mediator fungieren und bei der Lösung von Konflikten helfen.

Wir sehen ja, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen bei Arbeitszeiten und -belastung haben. Diese berücksichtigen wir so gut es geht in unserer Zusammenarbeit. Wir sitzen eben gemeinsam auf dem Tandem und dabei wechseln wir uns beim Lenken ab! Wenn wir umfallen, dann ist keinem damit geholfen.

Chancen im Neuanfang

Ein Vorteil in der Übernahme von Führung ist, dass die beiden ihre Position gestalten können und nicht nur ausführen müssen. In diesem Anfang stecken viele Chancen drin.

Daran, dass wir hier eine Chance haben, haben wir noch gar nicht gedacht, sagen Ilka und Anne abschließend. „Wir haben uns auf so die ganzen Hindernisse und Hürden konzentriert und über die jeweils andere geärgert …“. Ein bisschen Erleichterung wird sichtbar und die Lust darauf, mit dem Tandem loszufahren.

Vorteile eines Führungstandems

  1. Vielfältige Perspektiven: Unterschiedliche Erfahrungen und Ansätze können innovative Lösungen und eine umfassendere Entscheidungsfindung fördern.
  2. Geteilte Verantwortung: Die Last der Verantwortung wird geteilt, was den Stress reduziert und damit zu einer besseren Work-Life-Balance führen kann.
  3. Flexibilität: Ein Tandem kann flexibler auf Veränderungen und Herausforderungen reagieren, da zwei Führungskräfte zur Verfügung stehen.
  4. Stärken stärken: Jede Führungskraft kann ihre spezifischen Stärken einbringen und so das Team insgesamt stärken.

Nachteile eines Führungstandems

  1. Konfliktpotenzial: Unterschiedliche Arbeitsstile und Persönlichkeiten können zu Spannungen und Konflikten führen, wenn sie nicht bearbeitet werden.
  2. Entscheidungsfindung: Es kann auch einmal länger dauern, bis Entscheidungen getroffen werden, da beide Führungskräfte einbezogen werden müssen.
  3. Rollenunklarheit: Wenn die Verantwortlichkeiten nicht klar definiert sind, kann es zu Verwirrung und ineffizienter Arbeit kommen.
  4. Abhängigkeit: Wenn eine der Führungskräfte ausfällt, kann dies die andere stark belasten und die Führung insgesamt schwächen.

Und Coaching?

Coaching ermöglicht eine offene Kommunikation. Auch Konflikte können im Vorfeld geklärt werden. Es ist entscheidend, dass beide Leitungskräfte sich gegenseitig respektieren und unterstützen, um gemeinsam erfolgreich zu sein.

(Alle Namen sind frei erfunden, der Fall wurde anonymisiert.)

Kolumnistin Andrea Höddinghaus

Andrea Höddinghaus ist zertifizierte sys­temische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.

Autorin Andrea Höddinghaus
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