BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Geht es auch ohne Konflikte?

© Dilok – Adobe Stock

Im neuen Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ stellt uns Andrea Höddinghaus einen Fall aus ihrer Coaching-Praxis vor. Eine Leitung stellt fest, dass es Konflikte zwischen den Kolleginnen und Kollegen aus dem Krippen- und dem Elementarbereich gibt. Das trübt die Stimmung im ganzen Team. Wie man die Konflikte lösen kann und warum Konflikte auch etwas Gutes bewirken können, erfahrt ihr in dieser Kolumne.

„Ele gegen Krippe“

Kann es eigentlich auch einmal ohne Konflikt gehen?“ fragt mich eine Leitungskraft aus einer Kita, mit der ich schon über einen längeren Zeitraum zusammenarbeite. „Jetzt haben wir vor ein paar Jahren die langjährige Kitaleitung in den Ruhestand verabschiedet, ich habe die Leitung übernommen, wir haben neue Teammitglieder eingestellt, einen Anbau mit Renovierung gewuppt, die Pandemie hinter uns gebracht und der ein oder andere „Störenfried“ hat die Kita von sich aus verlassen. Und jetzt, wo „eigentlich“ „alles“ gut ist, habe ich das Gefühl, dass sich ein handfester Konflikt anbahnt.“, berichtet sie weiter. Was wird das denn für ein Konflikt, frage ich und bitte Nicole mir etwas mehr dazu zu berichten.

„Total unnötig ist das“, sagt sie. Wir haben nicht von Anfang an Krippenplätze angeboten, da wir keinen Platz hatten. Durch den Anbau konnten wir Räume dazugewinnen. Die bisherigen Kitaräume wurden auch mit renoviert, sodass wir in allen Räumen einen aktuellen Standard haben. Unser Team haben wir aufgeteilt und ausgebaut, es ist gut ausgebildet und auch von der Anzahl der Fachkräfte her sind wir sogar über dem Schnitt – und trotzdem ist die Stimmung im Team seltsam. Die Haltung von den Fachkräften, die im Elementarbereich arbeiten, zu den Fachkräften, die in der Krippe tätig sind, ist wenig professionell – und das ist noch freundlich ausgedrückt …

Kuscheln

Die Arbeit in der Krippe erfordert eben andere Fähigkeiten und einen anderen Arbeitsansatz als im Elementarbereich. Einen anderen Arbeitsansatz. Nicht weniger oder einen besseren Arbeitseinsatz. Wir haben aktuell viele und sehr junge Kinder, was eine intensivere physische Betreuung und Aufmerksamkeit erfordert.

Dies wird jedoch von vielen unserer „Ele-Kollegen“ als weniger anspruchsvoll wahrgenommen. „Die kuscheln sowieso nur den ganzen Tag … das ist ja total gemütlich bei denen …“.

 

Bei uns legen diese Kollegen momentan mehr Wert auf die kognitive und soziale Förderung, was aber immer wieder zu einer Geringschätzung der Arbeit in der Krippe führt. Sie sagen, dass ihre Arbeit oft anspruchsvoller und viel stressiger ist, was hier zu Missverständnissen und Ressentiments gegenüber den Kollegen in der Krippe geführt hat.

Kommunikationsprobleme

Die Wahrnehmung, dass die Arbeit in der Krippe durch die Kollegen weniger anerkannt wird, hat zu einem Gefühl der Unzufriedenheit geführt. Sie fühlen sich weniger geschätzt und Frust macht sich breit. Die Kommunikation leidet, der Austausch wird geringer und beide Teams bringe nur noch wenig Verständnis füreinander auf. So entstehen Vorurteile. „Was mache ich denn jetzt?“ fragt Nicole. Wir schauen auf die Details:

Dynamik in Gruppen: Menschen neigen dazu eine Gruppenidentität zu entwickeln, insbesondere in einem Arbeitsumfeld.

Wie hier in der Kita haben sich die Fachkräfte im Elementarbereich stärker als Gruppe definiert und pflegen den Kontakt mit den Kollegen aus der Krippe nur noch wenig. Das hat hier bei uns zu einem „Wir-gegen-die-Denken“ geführt.

Pädagogische Differenzen und das Verständnis darüber, wie die Betreuung und Förderung von Kindern in verschiedenen Altersgruppen zu erfolgen hat, führen in Dienstbesprechungen immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Arbeit wertvoller, wichtiger oder „richtiger“ ist.

Um die Eingangsfrage „Geht es auch ohne Konflikte“ zu beantworten: Nein, eher nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Arbeitsumfeld völlig konfliktfrei ist. Das „Wie“ macht den Unterschied.

Konflikte können positiv sein

Konflikte können positiv sein, wenn sie konstruktiv gelöst werden. Sie bieten die Möglichkeit, Probleme zu identifizieren, kreative Lösungen zu finden und Beziehungen zu stärken, wenn sie effektiv gemanagt werden.

Konflikte sind normal. Wenn Konflikte im Berufsalltag aus psychologischer Sicht normal und sogar unvermeidlich sind, dann schauen wir uns doch die Konflikt-Faktoren einmal an, die uns jeden Tag begleiten und beeinflussen:

  • Vielfalt der Perspektiven: Menschen bringen unterschiedliche Erfahrungen, Werte, Meinungen und Arbeitsstile mit sich und diese Unterschiede können natürlich auch zu Missverständnissen oder Meinungsverschiedenheiten führen, insbesondere in stressigen oder entscheidenden Situationen.
  • Rollen und Erwartungen: Im Kita Arbeitsumfeld gibt es oft klare Rollenverteilungen und Erwartungen. Wenn die Erwartungen an eine Rolle nicht erfüllt werden oder unterschiedliche Erwartungen aneinanderstoßen, können ebenfalls Konflikte entstehen.
  • Kommunikation: Missverständnisse oder unklare Kommunikation sind häufige Ursachen für Konflikte in der Kita. In einem dynamischen Arbeitsumfeld, in dem viele und wichtige Informationen im Alltag ausgetauscht werden, können Informationen leicht verloren gehen oder falsch interpretiert werden.
  • Stress und Druck: In Zeiten hoher Arbeitsbelastung oder unter Druck können alle Mitarbeitenden weniger geduldig, toleranter oder empathisch sein, was ebenfalls wieder zu Konflikten führen kann.

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Fehlerkultur – Falsch ist das neue Richtig?!

BAUSTEiNE KiNDERGARTEN Ausgabe 4/2024

Fehler machen ist menschlich. Jeder macht welche und das ist auch nicht schlimm. Es geht viel mehr um den Umgang mit Fehlern, damit daraus gelernt werden kann. Diese Ausgabe von „Leitung & Team“ soll einen Anstoß geben, dass Fehler zu akzeptieren und einen guten Umgang damit zu schaffen.

Bei uns gibt es nie Konflikte!

Spätestens bei dem „nie“ solltest Du hellhörig werden. In einer Kita, in der es offensichtlich keinerlei Konflikte gibt, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass Probleme einfach unterdrückt oder ignoriert werden, was langfristig auch sehr schädlich sein kann (sehr schlechte Stimmung, Burnout Gefahr, hoher Krankenstand, usw.).

Ein gesundes Maß an Konflikten ist daher ein Zeichen dafür, dass eine Kita lebendig ist und sich weiterentwickeln kann. Also, es gibt etwas Gutes an Konflikten!

Wenn Konflikte im Kita-Alltag tatsächlich positive Aspekte haben, dann kann Nicole diese strategisch nutzen und konstruktiv einsetzen.

Nicole und ich sammeln Ideen und Argumente dafür, dass sie auch selbst ihre Haltung zu Konflikten reflektieren kann und die Energie dafür gewinnt, dass sie ihr Team darauf ansprechen und zusammenführen kann und alle wieder ein gemeinsames Ziel vor Augen haben. Also, raus aus der Vermeidung, hin zu einer positiven Konflikt-Kultur.

Was steckt da für uns drin?

Die Förderung von Wachstum, die Teamentwicklung und gleichzeitig auch eine persönliche Entwicklung.

Konflikte bieten den Fachkräften die Möglichkeit, ihre eigenen Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln. Durch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Meinungen und Herausforderungen können sie lernen, besser mit stressigen Situationen umzugehen. Der aktuelle Konflikt in der Beispiel-Kita veranlasst das Ele- und Krippe-Team, sich mit bestehenden Arbeitsweisen und Strukturen auseinanderzusetzen. Durch die Vorgaben von Nicole werden sie sich auf die gemeinsame Suche nach Lösungen machen. Das Team wird gestärkt und wird anschließend effektiver zusammenarbeiten.

Klare Kommunikationswege etablieren

Konflikte machen allgemeine Kommunikationsprobleme oft erst sichtbar, die hier sonst unbemerkt geblieben wären. Den Satz: „Die kuscheln sowieso nur den ganzen Tag …“, hatte Nicole mehr im Vorbeigehen gehört, als sich eine Kollegin aus dem Elementarbereich über die Krippen-Kollegin aufregte. Die Aussage hat sie stutzig werden lassen.

Konflikte können dazu führen, dass Missverständnisse geklärt und klare Kommunikationswege etabliert werden. Wie wir wissen, ist eine offene Kommunikation essenziell für ein gesundes Arbeitsumfeld.

Nicole hat jetzt die Möglichkeit unklare Erwartungen oder Rollenverteilungen in ihrem Team aufzudecken. Durch das Ansprechen und Klären dieser Punkte können die Arbeitsabläufe und die Zusammenarbeit im Team jetzt verbessert werden.

Sie nimmt sich vor, den sich anbahnenden Konflikt auf respektvolle und lösungsorientierte Weise sichtbar zu machen und anzugehen. So kann sie das Vertrauen und die Bindung innerhalb des Teams wieder stärken. Menschen, die erfolgreich Konflikte bewältigen, entwickeln oft stärkere und belastbarere Beziehungen.

Unterschiedliche Perspektiven und Ideen

Konflikte können unterschiedliche Perspektiven und Ideen zutage fördern. Wenn diese konstruktiv diskutiert werden, können neue und innovative Ansätze für die pädagogische Arbeit oder für die Organisation des Kita-Alltags entstehen.

Wenn es Nicole schafft, den Flurfunk als Beispiel dem Team zu verdeutlichen, kann es dazu beitragen, ungesunde oder ineffektive Verhaltensweisen und Strukturen zu identifizieren. Durch die Lösung dieser Probleme kann das Arbeitsumfeld verbessert und ein harmonischeres und produktiveres Klima geschaffen werden.

Wie Kinder lästern lernen?

Kinder lernen durch Beobachtung. Wenn sie sehen, dass Erwachsene Konflikte auf konstruktive Weise lösen, lernen sie wichtige soziale Fähigkeiten wie Empathie, Kompromissbereitschaft und Konfliktlösung. Die Energie fließt nicht mehr ins „Lästern“, sondern in einen motivierenden Kita-Alltag. Dies ist besonders wertvoll für ihre eigene soziale und emotionale Entwicklung (und die der Erwachsenen …).

Win-Win für alle!

Zusammengefasst können Konflikte im Kita-Alltag, wenn sie positiv und konstruktiv angegangen werden, zu einer Verbesserung der Teamdynamik, Kommunikation und des Arbeitsumfelds führen. Sie bieten eine wertvolle Gelegenheit für persönliches und professionelles Wachstum und tragen zu einem respektvollen und unterstützenden Klima bei, das sowohl für die Fachkräfte als auch für die Kinder förderlich ist.

 „Ele gegen Krippe?“ Bist Du auch Führungskraft? Dann lade Dein Team lieber in einen Konflikt-Workshop ein, statt mit ihnen in den Ring zu steigen. „Der nächste Konflikt kommt bestimmt“.  😉

(Alle Namen sind frei erfunden, der Fall wurde anonymisiert.)

Kolumnistin Andrea Höddinghaus

Andrea Höddinghaus ist zertifizierte sys­temische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.

Autorin Andrea Höddinghaus

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