BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Lesen lernen vor der Schule?

Lesen lernen vor der Schule? Mädchen in der Bücherei
© jure – Fotolia

Im neuen Teil der Vorschul-Kolumne von Alexandra Reichenberg stellt die Autorin die Frage, wie sinnvoll es ist, schon vor der Schule lesen und schreiben zu lernen.

Zugänge zu Buchstaben und Schrift

Wie stehst Du dazu? Sollten Kinder bereits vor dem Eintritt in die Schule interessiert daran sein, lesen und schreiben zu können oder ist das ein absolutes No-Go? Wie reagierst Du darauf, wenn Kinder hier eine besondere Neugierde zeigen oder Eltern stolz über solche frühen Fähigkeiten ihrer Sprösslinge berichten? Warum überhaupt dieses Thema anschneiden, wo es genau in Deiner Einrichtung so viele ganz andere, womöglich elementare, Probleme gibt, magst Du Dich jetzt fragen. Ich bin der Meinung, dass dies ein sehr kontroverses Thema ist. Jedes Kind ist anders, jede Kita, und natürlich auch jede Fachkraft. Ich denke aber auch, dass Vorschulkindern in jedem Fall Zugänge zu Buchstaben und Schrift ermöglicht werden sollten, ist die Fähigkeit lesen und schreiben zu können doch einer der wichtigsten, wenn nicht gar DER Schlüssel zur schulischen Bildung.

Aufgabe der Schulen

Schulkinder, die nicht ausreichend gut lesen und schreiben können, treffen auf viele Schwierigkeiten beim Wissenserwerb im Unterricht. Dies bedeutet aber nicht, dass Kinder in der Kita gezielt lesen und schreiben lernen sollen, dies ist die Aufgabe der Schule, aber ihr Interesse daran sollte schon früh geweckt werden, wenn nur irgendwie möglich.

Sind Lesen und Schreiben sinkende Kompetenzen?

Die letzte Pisa-Studie, die Anfang Dezember 2023 veröffentlicht wurde, zeigte unter anderem eine Abwärtsentwicklung im Bereich des Lesens. Laut verschiedener Pressemeldungen ergaben zudem mehrere Studien, dass aktuell etwa 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland über sehr geringe Lesefähigkeiten verfügen und damit als sogenannte funktionale Analphabeten gelten, was bedeutet, dass ihre Lese- und Schreibkompetenzen nicht dazu ausreichen, Alltagsanforderungen in diesem Bereich bewältigen zu können. Diesen Menschen gelingt es nur unter Schwierigkeiten, und mit vielen Tricks, in einer medial und durch Schrift geprägten Welt zu bestehen.

Was steht denn da?

Manche Kinder interessieren sich bereits sehr früh für Schrift, erfragen die Bedeutung einzelner Wörter und möchten gezielt Buchstaben kennenlernen und benennen. Andere hingegen sind zufrieden, wenn sie beim Schuleintritt ihren Namen schreiben können. Beides ist in Ordnung, aber die Möglichkeit Sprache und Schrift zu entdecken, sollte vorhanden sein, denn hierdurch werden wichtige Grundlagen geschaffen. Ob über Spiele oder Bilderbücher, Schwungübungen, Lernspiele oder das Backen von Buchstabenkeksen, die Herangehensweisen, Buchstaben und Schrift zu erkunden, sind so vielfältig wie die Kinder unterschiedlich. Hier muss jeder für sich den passenden Weg in der Praxisarbeit finden. Ich persönlich habe sehr gute Erfahrungen mit der Einrichtung einer Schreibecke gemacht, die zwar schwerpunktmäßig die Vorschulkinder ansprechen sollte, grundsätzlich aber allen Kindern offen stand.

Schrift spielerisch entdecken und erforschen in der Schreibecke

Was gehört in eine Schreibecke? Hier gibt es zum Beispiel: verschiedene Stifte, Ölkreiden, Füller, Fineliner, Blei- und Buntstifte, eine Auswahl von unterschiedlichen Papieren, blanko und liniert, und eventuell Heften, Prospekte und Zeitungen, Scheren und Klebstoff, Büromaterial, wie etwa Büroklammern, Lineal, Locher und Haftnotizzettel, Buchstabenvorlagen, (Buchstaben-) Stempel, ein begleiteter Zugang zu einem Computer oder Tablet, vielleicht auch zu einer alten Schreibmaschine, sowie Bilderbücher und noch weitere Dinge, die Schrift erfahrbar machen.

Wie funktioniert so eine Schreibecke? Zunächst einmal steht hier das Experimentieren mit dem Material im Vordergrund. So lieben Kinder es, eigene kleine Bücher zu gestalten, die nach und nach mit Geschichten gefüllt werden können. Hierzu malen die Kinder die Bilder, die Inhalte der Geschichten werden von der Fachkraft dazu geschrieben. Häufig möchten die Kinder auch eigene kleine Wörter oder Zeichen hinzufügen.

Ideen für die Schreibecke

Stammen Kinder aus einem anderen Kulturkreis und kennen hierdurch vielleicht auch andere Schriftzeichen aus ihrem Umfeld, so bietet sich ein Erforschen in diesem Bereich an. Unterschiede in der Schrift und bei Buchstaben werden entdeckt und erlebbar gemacht.

Aus ausgeschnittenen Wörtern und Buchstaben können Collagen geklebt werden. Vielleicht suchen die Kinder gezielt nach bestimmten einfachen Wörtern oder sie konzentrieren sich auf ihren Lieblingsbuchstaben?

Mithilfe von Buchstabenvorlagen wie Kopiervorlagen oder Schablonen, entstehen bunte Initialen, fantasievolle Ausgestaltungen der Anfangsbuchstaben des jeweiligen Vornamens der Kinder, ganz in der Tradition der Skriptorien alter Klöster.

Dies sind nur ein paar Möglichkeiten, die Anstöße geben sollen, das Experiment der Schreibecke zu wagen.

Vielleicht möchtest Du solch eine Schreibecke in Deiner Einrichtung ausprobieren und magst von Deinen Erfahrungen berichten? Ich würde mich freuen, wenn Du hierzu einen Kommentar hinterlässt!

Kolumnistin Alexandra Reichenberg

Alexandra Reichenberg ist Erzieherin und Kunsttherapeutin. Sie arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Kindergarten- und Grundschulbereich sowie in der Familienbildung.

Alexandra Reichenberg

Entdecke das Abonnement

BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

DAS Material für gute Arbeit in der Frühpädagogik. BAUSTEiNE KiNDERGARTEN bietet regelmäßig erprobte und direkt einsetzbare Arbeitsmaterialien für die Praxis.

  • 4 Ausgaben pro Jahr
  • Digital | Digital & Print
Themenverwandte Beiträge
Konflikte im Team, Netz aus Bauklötzen
Wissenswertes

Konflikte im Team

Im neuen Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ beschreibt Andrea Höddinghaus wie man als Kitaleitung Konflikte angehen kann, wenn man das Gefühl hat, als Leitung selbst Teil des Problems zu sein.

Weiterlesen »
Das offene Konzept, Kinder malen in der Kita
Wissenswertes

Das offene Konzept

In diesem Teil unserer Kolumne „Pädagogische Handlungskonzepte“ beschäftigt sich unsere Autorin Svenja Gleffe mit dem offenen Konzept.

Weiterlesen »
Aktuelle Ausgaben des Bergmoser + Höller Verlags

Hauptreihe

Leitung & Team

Zusatzreihen

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner