BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Wie gehen wir mit Veränderungen um?

Wie gehen wir mit Veränderungen um? Strichfiguren
© strichfiguren – Adobe Stock

In dieser Kolumne stellt Andrea Höddinghaus die Frage wie verschiedene Generationen mit Veränderungen umgehen und gibt wertvolle Anregungen was Coaching diesbezüglich bewirken kann.

Das Konzept einer der Kita verändert sich!

„Ich wollte doch nicht mehr offen arbeiten …“, sagt mir Martina. Martina ist 63 geworden und mit Herz, Leib und Seele Erzieherin. Sie war vorher lange als Teamleitung aktiv und hatte auch schon einmal mehr Verantwortung als jetzt. „Aber das ist okay so“, sagt sie. Sie hat sich vor einigen Jahren in der Kita mit dem Wunsch und Hintergrund beworben, dass sie wieder in einer Einrichtung arbeiten wollte, die mit einem geschlossenen Konzept arbeitet.

In unserem Coaching-Gespräch definiert Martina für sich die Argumente, warum sie eigentlich in einer Kita mit geschlossenem Konzept arbeiten möchte.

Ich brauche:

  • klar definierte Aufgaben und Zuständigkeiten, Orientierung,
    mehr Struktur und Sicherheit im Alltag,
    bessere Gruppenzugehörigkeit sowie
  • einen einfacheren Überblick und gute Kontrolle.

 

Das hat bisher auch ganz gut funktioniert, bis nun in der Leitung ihrer Kita ebenfalls ein personeller Wechsel stattgefunden hat. Wie das so sein kann im Berufsleben, ist ihre Leitungskraft unvorhergesehen ausgefallen und kommt auch so schnell nicht wieder. Um diesen Teil der Geschichte abzukürzen: Die Leitungsposition wurde zeitnah und gut wieder besetzt. Die neue Leitung ist fast 25 Jahre jünger als Martina und ist jetzt aktiv dabei, die bisherige Arbeit im geschlossenen Konzept für diese Kita zu öffnen.

Wie gehen wir mit Veränderungen um? Welche Chancen hat Martina?

Die neue Leitung sieht Veränderung als Chance, die Kita offener und vielfältiger zu gestalten. Sie gehört zur Generation Y, die oft mit Flexibilität, Vernetzung und einer hohen Bereitschaft zur Weiterentwicklung assoziiert wird.

In der Generation von Martina (den Babyboomern) herrscht dagegen eher das Bedürfnis nach Struktur und festen Rahmenbedingungen. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen an Veränderungen können Reibungen verursachen, bergen aber auch großes Potenzial für gemeinsame Entwicklungsschritte. Auch ganz unabhängig von Generationen und Alter.

Für Martina sind Routine und Beständigkeit in ihrem Beruf grundlegend. Veränderung, insbesondere in einem vertrauten Umfeld, bringt Unsicherheit mit sich. Ihre neue Leitungskraft hingegen, mit frischen Ideen und einem offenen Konzept, sieht die Chance, Kindern mehr Selbstbestimmung und Erkundungsräume zu bieten.

Bevor wir mit dem Brückenbauen zwischen diesen Ansätzen anfangen, fangen wir im Coaching damit an, eine Liste mit den Möglichkeiten zu erstellen, die Martina hat, um jetzt auf diese Veränderung zu reagieren.

Mögliche Ansätze

Martina könnte:

  • kündigen und eine neue Einrichtung mit geschlossenem Konzept suchen: Sie könnte sich aktiv wieder nach einer Kita umsehen, die weiterhin ein geschlossenes Konzept verfolgt, auch wenn das keine Garantie für Beständigkeit ist.
  • kündigen und mit Abschlägen früher in Rente gehen: Eine Möglichkeit für Martina ist, den vorzeitigen Ruhestand in Erwägung zu ziehen.
  • bleiben und „Dienst nach Vorschrift“ machen: Martina könnte entscheiden, die Veränderungen zu ignorieren und nur die nötigsten Aufgaben zu erledigen, ohne aktiv an der neuen Ausrichtung mitzuwirken. Nach dem Motto „Augen zu und durch“.
  • bleiben und die Leitungskraft aktiv unterstützen: Martina könnte ihre Bereitschaft signalisieren, die Leitung bei der Umsetzung des offenen Konzepts zu unterstützen und konstruktiv an der Veränderung mitzuwirken.
  • bleiben und aktiv ihre Erfahrung einbringen: Martina könnte sich dafür entscheiden, ihre ganzen Erfahrungen gezielt in den Veränderungsprozess einzubringen und Vorschläge zu machen, die ein Gleichgewicht zwischen offenem und geschlossenem Konzept schaffen.
  • bleiben und eine beratende Funktion übernehmen: Martina könnte als Mentorin oder Beraterin fungieren, um die jüngere Kollegin zu unterstützen und ihre Erfahrung im Team einzubringen. Wo sind die Risiken? Welche Fehler können vermieden werden? Wie nehmen wir die Eltern mit? …
  • bleiben und eine spezialisierte Rolle in der Kita übernehmen: Wenn die Leitung offen dafür ist, könnte Martina eine besondere Rolle einnehmen, in der sie sich gezielt um spezifische Gruppen (Kollegen, Kinder, Eltern, …) oder Aufgaben kümmert, die ihrer Expertise entsprechen.
  • bleiben und sich auf ihre berufliche Weiterentwicklung fokussieren: Martina könnte Fortbildungsangebote nutzen, um ihre Kompetenzen in modernen Erziehungsansätzen zu erweitern und dadurch die Veränderungen besser mitzugestalten.

Martina ist überrascht wie viele Möglichkeiten wir in kürzester Zeit finden, auch, dass sie die ein oder andere Variante pro Veränderung ganz interessant findet und sie auch gedanklich weiterspinnen möchte („Passiert ja noch nichts“!).

Brückenbau

Hier lassen sich doch Brücken bauen. Es geht darum, wie Generationen, in diesem Fall Boomer und Y (zunehmend auch Z), und auch alle anderen, voneinander lernen und gemeinsam den Kita-Alltag gestalten können.

Wie gehen wir im Coaching damit um?

Ein kleiner Auszug:

Für Martina wird klar, dass kündigen, hinschmeißen, früher in Rente zu gehen, wechseln, wieder von vorne anfangen die Optionen sind, die sie hintenanstellen will.

„Das kann ich ja dann immer noch machen, wenn es sich nicht zum Guten wendet“. Damit können wir arbeiten!

  1. Gemeinsamkeiten entdecken: Ich motiviere Martina durch gezielte Fragen selbst herauszufinden, wo sie und ihre neue Leitungskraft übereinstimmen. Welche Werte und Ziele haben sie gemeinsam? Zum Beispiel teilen sie beide die Leidenschaft für den Beruf und die Förderung der Kinder.
    Ziel: Wenn Martina diese Verbindungen erkennt, kann es ihr helfen, Veränderungen offener zu begegnen.
  1. Ressourcen aktivieren: Gerade erfahrene Fachkräfte wie Martina verfügen über umfassende Kompetenzen und ein tiefes Verständnis für Teamdynamiken. Es könnte hilfreich sein, diese Stärken ins Gespräch zu bringen und sie zu ermutigen, als „Brückenbauerin“ zwischen bewährten Strukturen und neuen Ideen zu agieren.
    Ziel: So kann sie ihre Rolle in einem offenen Konzept aktiv mitgestalten.
  1. Widerstände anerkennen: Veränderungen anzunehmen, ist eine Herausforderung, besonders wenn das Gewohnte und die Sicherheit infrage gestellt werden und besonders dann, wenn man sich extra umorientiert hat und dann schon wieder vor demselben „Problem“ steht.
    Im Coaching bewerte ich Martinas Widerstände nicht. Wir schauen gemeinsam darauf und bearbeiten diese ganz selbstverständlich und normal. So hat Martina Gelegenheit diese als wichtig und auch wertvoll anzuerkennen.
    Ziel: Daraus könnte ein Dialog entstehen, wie diese Punkte konstruktiv in die neue Kita- und Teamstruktur eingebracht werden können.
  • Schrittweise Annäherung an das Neue: Anstatt sofort große Veränderungen zu akzeptieren, bekommt Martina in unserem Coaching den Freiraum, kleine Schritte zu formulieren, um sich langsam an die Idee der offenen Strukturen zu gewöhnen.
    Ziel: Vielleicht könnten bestimmte Aspekte der neuen Kita-Philosophie nach und nach integriert werden, die für Martina annehmbar sind und den Kita- und Teamgeist fördern?!

 

Der Fokus liegt darauf, dass beide (alle) Generationen gemeinsam eine Kultur in der Kita schaffen, in der Stabilität und Innovation im Einklang stehen. Es ist ein Prozess des Gebens und Nehmens – wenn Martina das Gefühl hat, dass ihre Erfahrung und Werte geschätzt werden, kann sie sich zunehmend auch auf neue Ansätze einlassen.
Als Coach begleite ich diesen Prozess professionell und immer auf Augenhöhe. Das trägt dazu bei, dass Martina ihre Rolle, in einem veränderten Umfeld, mit klarer Zugehörigkeit findet, auf- und ausbaut und ihr Selbstbewusstsein stark bleibt.

(Alle Namen sind frei erfunden, der Fall wurde anonymisiert.)

Kolumnistin Andrea Höddinghaus

Andrea Höddinghaus ist zertifizierte sys­temische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.

Autorin Andrea Höddinghaus

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