BAUSTEiNE KiNDERGARTEN

Wie viel Führungskraft steckt eigentlich in mir?

Wie viel Führungskraft steckt eigentlich in mir?
© Atlas – Adobe Stock

Im neuen Teil der Kolumne „Ein Herz für Kita-Coaching“ präsentiert uns Andrea Höddinghaus einen Fall aus ihrer Coaching-Praxis. Eine Kitaleitung stellt im Coaching-Prozess die Frage „Wie viel Führungskraft steckt eigentlich in mir?“. Wie das Coaching der Kitaleitung geholfen hat, ihre Rolle als Leitung zu finden, lest ihr in dieser Kolumne.

Von alten und neuen Besen, Ecken und Kehren …

Ich möchte wissen, wie viel Führungskraft eigentlich in mir steckt, lautete die Frage, die mir Martina stellte (ein echter Fall aus der Coaching-Praxis, der anonymisiert wurde), als wir uns über den Inhalt ihres anstehenden Coachings unterhalten.

Martina hat vor zwei Jahren die Leitung der Kita Villa Kunterbunt übernommen. Mit ihrer Vorgängerin hat sie dort etwas über ein halbes Jahr zusammengearbeitet, bevor diese in Rente gegangen ist. Sie hatte vor dem Wechsel in die neue Kita schon 3 Jahre Leitungserfahrungen in einer anderen Kita sammeln können und leitet jetzt ein Team von 22 Mitarbeitenden, Teamleitungen, Erzieherinnen und Erziehern, Auszubildenden, Familienhelfer/-innen, Küchenhilfen und Praktikanten. Dazu im Durchschnitt 65 Kinder in der Betreuung.

Unterschiedliches Führungs- und Leitungsverständnis

Wie bist Du denn auf diese Frage gekommen, will ich wissen. Naja, sagt sie, wenn ich zurückblicke, dann war mein Einstieg am Anfang ziemlich holperig für alle und für mich, als Nachfolgerin, auch sehr unangenehm. Wie das so ist, gab es zwischen der vorhergehenden Leitung und mir einen Alters- und Erfahrungsunterschied, was ja normal ist. Was viel belastender für mich war, war, dass wir ein sehr unterschiedliches Führungs- und Leitungsverständnis und Führungsverhalten hatten. Der Kitavorstand hatte mit dem Wechsel in der Führung entschieden, auch das Konzept zu verändern. Andere Betreuungszeiten, zusätzliche Dienstleistungen, Bewegungskonzept. Mit diesen Veränderungen konnte und wollte die bisherige Leitung leider sehr wenig anfangen. Diese Info kommunizierte sie jedoch nicht in Richtung Vorstand. Ihre letzten Arbeitsmonate wollte sie noch in Ruhe, wie gewohnt, weiterarbeiten. „Schön alles beim Alten lassen “. Ich fühlte mich fehl am Platz, sagt Martina.

Und, statt ihre Fragen und ihre Bedenken zu dem neuen Konzept mit ihrer Nachfolgerin in deren Anfangszeit zu besprechen und an der Umsetzung zu arbeiten, entschied sich die bisherige Leitung einfach mal dazu, alles so gut es ging zu blockieren. Aus Angst, aus Unwissenheit und Unsicherheit. Sie wollte ihr Gesicht nicht verlieren.

Ganz dünnes Eis

Leider, so Martina weiter, war es nicht möglich, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und so zu arbeiten, dass wir beide unsere Erfahrungen einbringen und voneinander profitieren konnten. Das war eine sehr chaotische und unsichere Zeit für alle, besonders für das Team.

Du kannst Dir das so vorstellen, dass ein Teil des Teams an der bisherigen Leitung hing und die Veränderung nicht mittragen wollte. Andere wiederum waren positiv dazu gestimmt, waren an der Veränderung interessiert, kannten mich als neue Leitung aber noch gar nicht. Ich war ja auch „die Neue“. 

Wie hast Du Dich, in dieser Zeit, als neue Leitung aufgestellt, frage ich Martina. Genau das ist es ja, worüber ich die ganze Zeit nachdenke. Ich habe mich auf die neue Aufgabe gefreut und konnte dann gar nicht so gut „kehren“, wie ich dachte. Am Anfang habe ich mich erst einmal zurückgehalten und zugeschaut, wie alles funktioniert. Ich war sehr ruhig. Mit jedem weiteren Tag habe ich gesehen, dass sich das Team in Grüppchen aufteilte und sich Angst und Unsicherheit breit machten. Ich denke mir heute, dass ich schneller eingreifen und die Führung früher hätte übernehmen müssen. Die Richtung wurde vom Vorstand klar kommuniziert und ich habe nur zugesehen und mich geärgert, sagte Martina enttäuscht von sich selbst. Warum habe ich das nur so gemacht?

Fahrradkette und Reflexion

Reflexion des eigenen Führungsverhalten ist eine gute Sache. Sich nur auf Fehler zu konzentrieren, die rückwirkend nicht mehr geändert werden können (hätte, hätte, …) und auf das, was in den eigenen Augen schiefgelaufen ist, eine andere. Wir analysieren gemeinsam die Situation.

Welche Faktoren spielen bei der Übernahme einer Führungsaufgabe inklusive Antritt von Nachfolge eine Rolle?

  • Vertrauensaufbau: Das Entwickeln von Vertrauen zu meinem neuen Team durch transparente Kommunikation und Verlässlichkeit.
  • Einarbeitung: Auf eine strukturierte Einarbeitungsphase setzen, um alle relevanten Informationen und Abläufe kennenzulernen.
  • Beziehungsmanagement: Der Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu Träger/Vorstand, Führungs- und Leitungskräften, Mitarbeitenden, den Kindern einschließlich Eltern und auch externen Partnern.
  • Kulturverständnis: Das Verstehen der bestehende Unternehmenskultur und Respektieren bewährter Traditionen, während Du notwendige Veränderungen einführst.
  • Vision und Strategie: Umsetzung der klaren Vision und Strategie für die Zukunft der Kita, die mit den Werten und Zielen der Einrichtung übereinstimmt.

Klare und offene Gespräche

O.K., da stecken ein paar Infos drin, wo Martina klar erkennt, was sie gut gemacht hat und was im ersten halben Jahr alles auf der Strecke geblieben ist.

Na großartig. Was mache ich als neue Führungskraft denn, wenn eine der wichtigsten Beteiligten meine Einarbeitung behindert, sogar blockiert, fragt Martina?

Wir sammeln Ideen, da sich diese Situation wahrscheinlich so nicht mehr wiederholt, jedoch in anderer Konstellation wieder auftreten kann.

Was würdest Du mir denn theoretisch empfehlen, damit ich nicht in so eine Situation kommen würde, wie Du es erlebt hast, frage ich? Oder, was würdest Du heute mit deiner Erfahrung anders machen?

Ich würde sofort klare Gespräche führen, sprudelt Martina los. Ein direktes und offenes Gespräch mit der alten Leitung, um Probleme anzusprechen und Lösungen zu suchen, statt abzuwarten.

Auch würde ich alle Vorkommnisse und meine Kommunikationsversuche dokumentieren, um einen klaren Überblick zu behalten und bei Bedarf „Beweise“ zu haben.

Ich würde mir viel früher Unterstützung holen. Den Träger oder übergeordnete Instanzen über die Situation informieren und um Unterstützung bitten. Nicht mehr aushalten oder warten, dass sich die Situation von allein löst.

Was könntest Du noch tun, frage ich weiter.

Ich würde mein zukünftiges Team mit einbeziehen, stärker auf das Team setzen, um Unterstützung und Vertrauen zu gewinnen und um den Einfluss der alten Leitung zu minimieren. Ich würde auch früher Grenzen setzen. Deutlich machen, dass Blockaden und manipulative Spielchen von mir nicht toleriert werden.

Richtige Antworten!

Jetzt kommt meine „unbequeme Frage“ an Martina dazu. Wie ist es denn dazu gekommen, dass Du dieses ganze Wissen nicht anwenden konntest?

Ich hatte den Mut nicht dazu und Angst, gleich mit einem Konflikt einzusteigen. Ich kenne mich ja, sagt Martina, ich werden schnell impulsiv und so wollte ich auch nicht starten. Der Stress im Alltag kommt schon noch von allein …

Souveränes Auftreten

… gehört als Kompetenz einer Führungs- und Leitungskraft zum Profil. Auch wenn wir sicher alle die Bedenken von Martina gut nachvollziehen und verstehen können, müssen wir gerade in herausfordernder oder neuartigen Situation Souveränität und Kompetenz ausstrahlen. Wir dürfen uns unsere Nervosität nicht anmerken lassen. Gerade am Anfang ist eine positive Selbstpositionierung in unserem Team und den Gruppen wichtig. Gar nicht so einfach.

Was nun? Beamen!

Entlastung schaffen. Martina entscheidet sich, einen Haken an das letzte halbe Jahr zu machen und es unter Erfahrungen zu verbuchen. Sie entscheidet sich auch für einen Neustart, der mit der Frage verbunden, was dafür notwendig und sinnvoll ist.

Ich bitte sie, sich jetzt gedanklich einmal in die Zukunft „zu beamen“ und von dort aus zurückzuschauen. Sich vorzustellen, dass dieser Neustart nach ihren Wünschen so richtig gut gelaufen ist und der Alltag jetzt genauso abläuft, wie sie es sich als Kitaleitung schon immer vorgestellt hat.

Wie hast Du das denn gemacht, frage ich. Raus aus dieser Opferhaltung, sagt Martina. Ich habe die ganze Situation, das letzte halbe Jahr, analysiert und einen Plan für die nächsten Schritte entwickelt. Dabei setze ich Prioritäten für dringende Aufgaben. Ich trete in den Dialog mit meinem Team, um offen über die bisherigen Schwierigkeiten zu sprechen. Ich habe Verständnis für die Belange des Teams und signalisiere meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Ich möchte authentisch sein, und habe mir meine Führung zurückgeholt, sagt Martina.

Zuverlässigkeit und Transparenz

Durch Zuverlässigkeit und Transparenz habe ich es geschafft, das Vertrauen wieder aufzubauen. Wir sprechen regelmäßig, um unsere Kommunikation zu fördern und Feedback auszutauschen. Wir haben Teambuilding-Maßnahmen umgesetzt, um alle mitzunehmen. Auch das Team braucht eine angemessene Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten und sich neu zu finden. Das hat den Zusammenhalt und das Vertrauen untereinander gestärkt. Wir haben gemeinsam klare Strukturen und Prozesse definiert, um den Arbeitsalltag zu erleichtern und unsere Orientierung zu verbessern. Wir haben alle mitgenommen.

Meine eigenen Führungsthemen reflektiere ich weiterhin im Coaching, um für mich dranzubleiben. Ich bin wieder ein Vorbild und übernehme gerne die Verantwortung.

… ganz schön viel, sagt Martina. Aber, ich merke, wie ich zurück zu meiner Führungskraft komme und Lust habe, diesen Neustart zu gestalten.

Ihre Vorgängerin hat übrigens inzwischen ihren Abschied „gefeiert“. Anders als gedacht, aber das ist ein anders Thema.

Jetzt bist Du dran!

Liebe Leserin, lieber Leser. Wie bist Du im Thema Führung aufgestellt? Wenn Du Dich und Dein Führungsverhalten ebenfalls gerne reflektieren oder im Coaching bearbeiten möchtest, schau auch gerne auch in die anderen Beiträge der Kolumne. Die wichtigsten Kompetenzen, die neben dem souveränen Auftreten dazugehören, sind:

  • ganzheitliches Denken,
  • Planungskompetenz, Überzeugungsvermögen,
  • Veränderungs- und Konfliktkompetenz,
  • Verantwortungs-bewusstsein und Zielstrebigkeit.
Kolumnistin Andrea Höddinghaus

Andrea Höddinghaus ist zertifizierte sys­temische Coachin und begleitet Führungskräfte- und Team-Coachings im Kita-Kontext.

Autorin Andrea Höddinghaus

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