In ihrer neuen Kolumne „Das haben wir schon immer so gemacht!“ wirf Tanja Siepmann einen selbstkritischen und augenzwinkernden Blick auf das Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen in der Kita.
Fachkräftemangel
Ich habe eine überraschende Neuigkeit für Dich: Es herrscht Fachkräftemangel in Deutschlands Kitas!
Spaß, das ist natürlich keine Neuigkeit, sondern für die meisten von uns eine belastende und bittere Realität. Da sind wir doch froh, um jeden jungen Menschen, der sich dafür entscheidet, eine pädagogische Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren, oder? Und überhaupt ist doch der frische Wind, der mit den Berufsanfängerinnen und -anfängern durch die Einrichtung weht, wohltuend für uns alle, nicht wahr? Schließlich hat sich in der Pädagogik in den letzten Jahrzehnten einiges getan, dementsprechend haben die Fachschulen ihre Ausbildung angepasst. Was wir alten Häsinnen und Hasen vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren gelernt haben, war nicht alles falsch, aber ganz schön viel davon kann man laut neuesten Erkenntnissen inzwischen besser machen. Was für ein Glücksfall, wenn neue Kolleginnen und Kollegen bereit sind, unseren Horizont zu erweitern, stimmts?
Kollegialität
In der Theorie klingt das leider oft schöner, als es in der Realität umgesetzt wird. Ich habe mich bei den jungen Kolleginnen und Kollegen umgehört. Und leider bekleckern wir „Senior-Pädagoginnen“ und Senior-Pädagogen“ uns häufig nicht mit Ruhm, was die Kollegialität den Berufsanfänger/-innen gegenüber angeht.
Frischer Wind ist vielerorts eher unbeliebt. Er wirbelt einfach zu viel durcheinander und macht die muffige Bequemlichkeit des „Das haben wir schon immer so gemacht“ irgendwie ungemütlich. Überhaupt lassen wir uns gar nicht gerne reinreden in unsere pädagogischen Entscheidungen, auch wenn sie manchmal weniger pädagogisch sind als uns lieb ist. Das erinnert mich irgendwie an den sehr betagten Verkehrsteilnehmer, der mir eine kapitale Beule ins Auto gefahren hat. „Na hörn Sie mal, ich bin 60 Jahre unfallfrei gefahren“, hat er entrüstet versichert. Es könne gar nicht sein, dass er einen Fehler gemacht hat!
„Na hör mal, ich erziehe schon seit 40 Jahren unfallfrei. Das kann gar nicht sein, dass ich eine fragwürdige Entscheidung getroffen habe!“
Dabei wollen die jungen Kolleginnen und Kollegen uns unsere Professionalität und unsere gesammelte Erfahrung überhaupt nicht absprechen. Im Gegenteil, sie sehen durchaus den Mehrwert, von dem auch sie profitieren können. Berechtigterweise wünschen sie sich einfach, dass auch ihre Meinung, ihr Wissen und ihre fachliche Expertise Anerkennung findet.
Bereitschaft für etwas Neues
Nur leider fällt uns „Alten“ die Bereitschaft für Neues nicht so leicht. Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass das menschliche Hirn Abweichungen von der Routine nicht gern mag. Veränderungen bedeuten Unsicherheit und Unsicherheit bedeutet potenzielle Gefahr. Je älter unsere Synapsen und kleinen grauen Zellen sind, desto unflexibler werden sie. Es könnte also sein, dass die Antihaltung der Kollegin/des Kollegen nicht als persönlicher Affront zu sehen ist, sondern auf Unsicherheit und Angst beruht. Nur ist es unweit schwerer Unsicherheit zuzugeben, als grundsätzlich dagegen zu sein.
Im Vertrauen gesagt, habe ich mir auch schon so manchen Fauxpas geleistet. Ohne Zweifel haben die vielen Jahre in der Elementarpädagogik den Lack bei mir abblättern lassen. Mein Nervenkostüm ist inzwischen dünn wie Pergamentpapier geworden und auch mein Arbeitseifer hat sich ziemlich abgenutzt. Ich muss zugeben, dass ich an mancher Stelle müde geworden bin, die immer gleichen Konflikte auszutragen. Möglicherweise lasse ich aus diesem Grund manchmal Dinge bei den Kindern durchgehen, die ich vor einigen Jahren noch kraftvoll durchgesetzt hätte. Inkonsequenz ick hör dir trapsen!
„Das junge Gemüse“
Viele junge Kolleginnen und Kollegen nehmen diesen Mangel an Motivation aber auch oft als fehlendes Einfühlungsvermögen den Kindern gegenüber wahr. Sie berichten davon, dass sie sich häufig auch selber durch das resolute Verhalten der älteren Kolleginnen und Kollegen eingeschüchtert fühlen. Schwer wird es, wenn man sich dann auch noch kollegial zusammenschließt und eine Front gegen das „junge Gemüse“ bildet. Nicht selten um ihm dann kollektiv bei jeder Gelegenheit die schönsten Totschlagargumente verbal um die Ohren zuhauen. „Krieg erst mal selber Kinder“, „Du könntest meine Tochter/Sohn sein“, „Dir fehlt die Erfahrung um wirklich mitreden zu können“, „Werde erstmal trocken hinter den Ohren“. Kurz, bleib uns weg mit dem neumodischen Kram, der wird ja sowieso bald wieder von der nächsten Theorie abgelöst. Mit einer festgefahrenen Meinung, kann man ganz wunderbar auf der Stelle treten.
Ich weiß, wie frustrierend das sein kann, schließlich war ich selber einmal Berufsanfängerin und jung war ich übrigens auch mal! So manche Träne ging auf Kosten solcher Konflikte. Nicht selten führen Dauerauseinandersetzungen dieser Art übrigens dazu, dass junge Kolleginnen und Kollegen die Gruppe, die Einrichtung oder gleich den ganzen Beruf wechseln. Schade fürs Team und schade für die Kinder, können die doch von pädagogischen Fachkräften in unterschiedlichen Lebensphasen nur profitieren. Jugendliche Frische lässt sich nicht künstlich erzeugen. Meine arthritischen Knie machen eine Verfolgungsjagd über das Außengelände nicht mehr mit. Umso schöner ist es doch, wenn der sportbegeisterte, junge Kollege das übernimmt. Dafür kann ich mich stundenlang beim Memory® besiegen lassen.
Die Fronten zwischen Jung und Alt
Natürlich darf der Konflikt nicht nur eine einseitig betrachtet werden. Auch die älteren Kolleginnen und Kollegen sind nicht immer zufrieden mit der generationsübergreifenden Zusammenarbeit im Team. Paradoxerweise kritisieren sie an den Berufsanfänger/-innen die gleichen Verhaltensweisen, die ihnen zur Last gelegt werden.
„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werten.“
Eine Äußerung, die nicht von Erzieherin Elke, jenseits der Fünfzig, stammt, sondern auf einer Tontafel der Sumerer zu lesen ist. Entstanden ca. 3000 v. Chr.! Gibt aber in etwa wieder, was Elke über ihre jungen Kolleginnen und Kollegen sagen würde. Ungepflegt ist übrigens keinesfalls ein gerechtfertigter Vorwurf gegen das optische Erscheinungsbild vieler Mitzwanziger. Lackierten Fingernägeln, Skinny Jeans und Extensions im Haar, da sehe ich in meiner mit Fingerfarben beklecksten Kitakleidung weitaus abgerissener aus.
Die Fronten zwischen Jung und Alt sind also schon etwas länger verhärtet, und das nicht nur in pädagogischen Teams. Kein Grund zu resignieren, finde ich. Man könnte ja mal miteinander reden. Gewaltfreie Kommunikation können wir doch aus dem Effeff. Warum wenden wir dieses Multitool eigentlich nicht mal für uns an?

Ausgaben passend zum Thema
Gesundes Arbeiten – Älter werden im Beruf (BAUSTEiNE KiNDERGARTEN Leitung & Team)
Die Kita als Dienstleister? (BAUSTEiNE KiNDERGARTEN Leitung & Team)
Beiträge passend zum Thema
Weiterführende Links

Entdecke das Abonnement
Leitung & Team
Mit Bausteine Kindergarten – Leitung & Team erhältst Du ein Medium, mit dem Du Deine Führungskompetenz erweitern und Deine Mitarbeiter/-innen regelmäßig kompetent und umfassend informieren und weiterbilden kannst.