In neuen Teil der Kolumne „Dokumentieren im Elementarbereich“ geht es um die Schulfähigkeit, um die entsprechenden Testverfahren und darum, was in diesem Zusammenhang die Aufgaben von Kitas sind.
Es ging durch die Medien, die Ergebnisse der Bildungsstudie IQB 2021 (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) sorgten für Aufmerksamkeit in NRW, weil sich Viertklässler in den Basisfertigkeiten wie lesen, rechnen oder zuhören drastisch verschlechterten. Dazu kam noch die Iglu-Bildungsstudie. Die internationale Erhebung zur Lesekompetenz bei Grundschulkindern brachte zutage, dass jeder vierte Viertklässler nicht das Mindestniveau erreicht. Besonders soziale Ungerechtigkeiten spielten dabei eine große Rolle und daran hätte sich seit Jahren nichts geändert.
Die Sache mit der Schulfähigkeit?
Jetzt werden immer mehr Stimmen laut, die schon die Kitas in die Pflicht nehmen wollen, daran etwas zu ändern. Die Kinder müssten schon mit besseren Sprachkompetenzen eingeschult werden. In den Kitas müsste es verbindliche Sprachtests geben, individuelle Förderung und Schulung der Vorläuferfähigkeiten für das Lesenlernen.
Dazu möchte ich sagen, dass es 2023 bei meinem Sohn so abgelaufen ist: Er bekam eine ausführliche Entwicklungsdokumentation von seiner Kita, die ihn seit fast drei Jahren kennen. Dazu kam noch die obligatorische U-Untersuchung beim Kinderarzt. Als nächstes stand ein kurzes Gespräch mit dem Direktor seiner zukünftigen Grundschule an, der ihn näher kennenlernen wollte und ganz nebenbei ein paar Entwicklungspunkte abgefragt hat (zählen, Raumlagebeziehung, Stifthaltung etc.). Zusätzlich hat die Schule noch ein „Schulspiel“ organisiert. An diesem speziellen Tag kamen alle Kinder im letzten Kitajahr in die Schule. Sie wurden in Gruppen eingeteilt und zwei Lehrkräfte haben mit den Kindern „Spiele“ gespielt, wobei eine Lehrerin das ganze dokumentiert hat. Es gab Spiele, bei denen die Kinder reimen, zählen, sich bewegen etc. mussten. Ein paar Tage später haben die Eltern einen Brief von der Schule bekommen, in dem ihnen mitgeteilt wurde, ob sie davon ausgehen, dass das Kind altersentsprechend entwickelt ist und die Vorläuferfähigkeiten für den Besuch der Schule besitzt. Gegebenenfalls wurden Vorschläge zur Unterstützung gegeben. Dann wurde mein Sohn noch zur Schuleingangsuntersuchung beim Gesundheitsamt eingeladen, bei dem wieder eine fremde Person verschiedene Tests und Übungen mit ihm durchführte, um seine „Schulfähigkeit“ festzustellen.
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Wie Kinder mit schwierigen Situationen umgehen, ist einer Frage ihrer Resilienz. Unter dem Thema Resilienz soll diese Ausgabe von Bausteine Kindergarten Impulse und Anregungen bieten.
Vorschläge noch mehr testen …
Jetzt kommen Vorschläge, die Kinder noch mehr zu testen, was mich persönlich sehr überrascht hat. Mein Sohn wurde meiner Meinung nach zu oft getestet und dabei auch noch von fremden Personen, denen er oft mit einer gesunden Skepsis gegenüberstand. Ich finde die U-Untersuchung und eine gute Bildungsdokumentation von der Kita, die meinen Sohn sehr gut kennt, hätten da vollständig gereicht. Ich gehe davon aus, dass jede pädagogische Fachkraft mit einer guten Beobachtungs- und Dokumentationsarbeit, sehr gut einschätzen kann, ob die ihr anvertrauten Kinder altersentsprechend entwickelt sind. Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, sie noch einmal von fremden Personen testen zu lassen, es sei denn, es bestehen Unsicherheiten vom pädagogischen Personal gegenüber der altersentsprechenden Entwicklung. Auch wenn Kinder keine Kita besuchen, halte ich es für sinnvoll diese früh genug auf ihre altersentsprechende Entwicklung zu testen.
Lösung?
Es fehlt nicht an Tests, sondern es fehlt an Zeit und Personal. Die Wartezeiten beim Sozialpädiatrischem Zentrum, Frühförderstelle oder bei anderen Institutionen sind viel zu lang, bis das Kind die benötigte Förderung erhält, vergeht viel zu viel Zeit. Die Bearbeitung von Inklusionsanträgen oder das entsprechende Personal für die Kita zu finden, dauert viel zu lange. Ich gehe davon aus, dass jede Fachkraft weiß, was für eine gute Sprachförderung nötig ist z.B. Kleingruppenarbeit, Literacy, Fortbildungen zum Thema, gute Kommunikation mit Eltern und Kindern etc. dafür braucht es aber gut ausgebildetes und reichliches Personal, kleinere Kindergruppen, angemessene Geldmittel und schnelleren Zugang zu anderen Institutionen mit geringeren Wartezeiten. Nach der „einfachen“ Lösung nach Tests zu rufen, ist da meiner Meinung nach nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die frühkindliche Bildung muss mehr Wichtigkeit, Geld und Personalressourcen bekommen. Das Geld für Tests könnte man hier einsparen und dort investieren. Das System muss effektiver werden und nicht die Kinder, indem sie noch mehr Tests absolvieren, um in Schubladen sortiert zu werden.
Nina Held ist Erzieherin und hat die Bildungsdokumentation-Software GABIP-WEB entwickelt.

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