Feinmotorische Fähigkeiten können in vielen Bereichen spielerisch trainiert werden, im neuen Teil der Vorschul-Kolumne stellt unsere Autorin Alexandra Reichenberg wertvolle Impulse zur Förderung vor.
Es ist bereits einige Jahre her, noch bevor die Corona-Pandemie die Welt in Atem hielt, die sicherlich für viele Defizite in der Entwicklung mancher Kinder geführt hat, als mir in einem Kunstkurs für Grundschulkinder im Alter von sechs bis acht Jahren auffiel, wie schwer sich einige davon im Bereich der Feinmotorik taten. Anlass hierfür war ein Angebot, welches eigentlich aus einer spontanen Resteverwertung von Material entstanden war. Die Kinder hatten mit Ton modelliert. Ein kleiner Tonklumpen blieb übrig. Daraus sollten Mobiles in Form einer Sternenkette entstehen. Hierfür rollten die Kinder den Ton zu Platten aus und stachen daraus mit Formen kleine Sterne aus, die jeweils mit einem Loch oben und unten versehen wurden. Bereits dabei taten sich erstaunlich viele Kinder schwer. Als die getrockneten und gebrannten Sterne dann aber zu Ketten gefädelt und geknotet werden sollten, stießen die meisten Kinder an ihre Grenzen. Auf meine Frage hin, ob sie denn keine Knoten oder Schleifen binden konnten antwortete ein Großteil, dass dies nicht nötig sei, ihre Schuhe würden über Klett- und Reißverschlüsse verfügen.
Knoten, Knöpfe, Klettverschlüsse
Auch Schulranzen, Jacken und weitere Dinge des täglichen Lebens sind heutzutage mit solch praktischen Verschlüssen versehen. Deren Gebrauch ist effektiv und geht schneller, als das Schnüren von Schnürsenkeln oder das Schließen von Knöpfen oder Haken, die früher standardmäßig zum Einsatz kamen. Sollten deshalb nun alle einfachen Lösungen gemieden werden? Nein, natürlich nicht, denn auch solche Dinge trainieren die Feinmotorik, wenn sicherlich weniger intensiv als etwa Knöpfe. Aber ein Bewusstsein für die Wichtigkeit einer gut geschulten Feinmotorik sollte geschaffen werden, ist diese doch beim Schreibenlernen ebenso wichtig, wie für viele andere Tätigkeiten.
Feinmotorik im Alltag und in der Schule, warum sie so wichtig ist
Was beinhaltet der Bereich der Feinmotorik eigentlich genau? Die Tätigkeit mit den Fingern liegt auf der Hand und wird hier auch besonders in den Fokus gerückt, aber auch die Bewegungen der Zehen und der Gesichtsmuskulatur zählen dazu. Gemeinsam haben die Körperpartien, dass diese feinmotorisch gezielt und sehr genau ausgeführt werden. Das ist unerlässlich für viele Fertigkeiten, wie dem Halten und der genauen Führung eines Stiftes oder Pinsels, wie auch beim Schneiden mit der Schere. Lauter Dinge, die in der Schule zu den elementaren Grundfertigkeiten zählen und bei der Einschulung vorausgesetzt werden. Hier müssen die Kinder über eine längere Zeit einen Stift halten und zielgerichtet führen können, was durchaus eine Herausforderung darstellen und bei einem Unvermögen auch schnell zu Frustration führen kann, welches dann unter Umständen das Schreibenlernen verzögert.
Kneten, Fädeln, Bauen und Fingerspiele
Feinmotorische Fähigkeiten können in vielen Bereichen spielerisch trainiert werden, beim Kneten und Malen etwa, aber auch beim Fädeln von Perlen, dem Bauen mit Holzbauklötzen oder anderen Bausteinen. Fingerspiele und Montessori Rahmen bieten sich ebenfalls hierfür an. Auch Schwungübungen sind ein guter Weg. Diese geben einen Ausblick auf die Schule, was manche Kinder motiviert, andere werden eher dem spielerischen Weg gegenüber aufgeschlossen sein. Hier ist ein individueller Blick auf das einzelne Kind wichtig. Ein Klassiker in der Arbeit mit den Vorschulkindern ist der Fädelschuh. Dazu gibt es fertige Schuhe aus Holz, aber das Fädeln und Schleife binden an einem selbst gebastelten Schuh macht viel mehr Spaß. Denn, auch wenn dies ein altmodisch anmutendes Angebot ist, so ist nicht alles, was neu ist gut, und nicht alles, was alt ist, schlecht. Probiere es einfach einmal aus!
Motorikübung und Gestaltungsanregung: Fädelschuh
Materialien:
- Fotokarton
- Buntstifte
- Schere
- Lochzange
- je einen Schnürsenkel pro Fädelschuh
Und so wird’s gemacht:
Die Kinder ziehen einen Schuh aus und setzen ihren Fuß auf ein Stück Fotokarton. Du umfährst den Fuß dann mit einem Buntstift. Dies kann auch als Partnerübung von den Kindern übernommen werden. Der Umriss des Fußes wird ausgeschnitten und bemalt. Nun mit der Lochzange sechs Löcher, als Paare gegenüberliegend, in den bemalten Fußumriss so lochen, dass der Eindruck eines Schuhs entsteht. Einen Schnürsenkel einfädeln und das Schleife binden kann losgehen.
Also dann, auf die Hände, beziehungsweise Füße, fertig und los!
Alexandra Reichenberg ist Erzieherin und Kunsttherapeutin. Sie arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Kindergarten- und Grundschulbereich sowie in der Familienbildung.

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